Da sitzen sie nun in Genf und erzählen, man habe nach Verhandlungen unter einem «schönen grossen Baum» eine Einigung mit China erzielt. US-Finanzminister Scott Bessent und der US-Handelsbeauftragte Jamieson Greer berichten, man sei mit «grossem Respekt» miteinander umgegangen, und man habe «gemeinsame Interessen». Dies, nachdem ihre Regierung am 2. April nicht nur China, sondern die ganze Welt in den Schwitzkasten genommen hatte.
Beide Länder senken die Zölle um 115 Prozent. Heisst: Die USA erheben auf chinesische Waren noch 30 Prozent, China auf US-Produkte noch 10 Prozent. Letztlich war der Schaden offenbar zu gross. Nachdem die USA 34 Prozent Zölle auf China verhängt hatten, hatte dieses als einziges Land mit Vergeltung reagiert. Die beiden grössten Volkswirtschaften führten ein Eskalationsspektakel auf, an dessen Ende die chinesischen Zölle auf US-Produkte bei 125 Prozent und jene der USA auf chinesische Produkte bei 145 Prozent lagen. Der Handel brach innerhalb kürzester Zeit ein: Fast ein Viertel weniger exportierte China in die USA, und aus der anderen Richtung kamen knapp 14 Prozent weniger Waren – allein schon im ersten Monat.
Schuld sind die anderen
Die Schuldigen sind nach Lesart der US-Regierung immer die anderen. Was am 2. April passiert sei, hätte verhindert werden können, sagt Scott Bessent. Jamieson Greer wird bei einer Frage einer BBC-Journalistin emotional. Sie regt an, die Zollpolitik zu überdenken. Greer: Man habe Jahrzehnte mit Reden verbracht, damit andere Länder ihre Zölle und Handelshemmnisse gegenüber den USA abbauten. Man habe eine der offensten Volkswirtschaften der Welt gehabt. Und das Ergebnis sei ein riesiges Handelsbilanzdefizit für die USA gewesen. «Wir haben alles versucht. Die Vorstellung, dass wir jetzt einfach weiterreden und ein anderes Ergebnis haben, ist völlig realitätsfremd», sagt der Handelsbeauftragte.
Der Machtpoker wird also weitergespielt. Dabei dürfte auch Fentanyl ein gewichtiger Faktor sein. Das synthetische Opioid sorgt in den USA für enorm viele Abhängige – und Hunderttausende Tote. Der grösste Teil von Fentanyl (respektive dessen Vorläuferchemikalien) kommt aus China in die USA. Donald Trump stellt sich auf den Standpunkt, dass direkt in China der Handel unterbunden werden müsste. Beim Fentanyl, hiess es heute ebenfalls, sei man auf gutem Weg, aber die Situation bleibe unverändert.
Handelshemmnisse weiterhin hoch
Die nun verkündeten Senkungen sind nur für 90 Tage angesetzt. Währenddessen werden die beiden Grossmächte weiter miteinander ringen. Und sie nehmen nur die reziproken Zölle vom 2. April zurück. Alle anderen Handelshemmnisse bleiben bestehen. So hat China den Export seltener Erden eingeschränkt, und die USA schliessen gewisse Technologiefirmen aus ihrem Markt aus.
In der Regel stellen sich Verhandlungspartner gemeinsam der Öffentlichkeit. Die USA verkünden das Ergebnis in Genf heute allein. Der Schluss liegt nahe, dass die USA in diesem Duell der Giganten vorerst den Kürzeren gezogen haben. Auf dem Eskalationspfad sind sie zu keinem Ziel gekommen. Ausser, dass die beiden Grossmächte nun miteinander sprechen. Ein Abkommen ist aber noch in weiter Ferne.