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Versorgungssicherheit Strom-Rettungsschirm kommt bei Energieunternehmen nicht gut an

Energieministerin Simonetta Sommaruga will grossen Energiefirmen im Notfall unter die Arme greifen. Diese wollen das nicht, zeigt die Vernehmlassung.

Bis zu zehn Milliarden Franken will Bundesrätin Sommaruga im Worst Case verteilen. Unter den Rettungsschirm sollen Grosskonzerne wie Alpiq, Axpo und die BKW Energie AG. Doch die Konzerne wollen nicht gerettet werden. Nicht zu diesen Konditionen.

Die Stromkonzerne stört, dass sie von Gesetzes wegen unter den Rettungsschirm kämen. Man werde quasi gezwungen, sagt Michael Frank, Direktor des Verbands der Elektrizitätsunternehmen VSE: «Wir erachten die Zielsetzung als unvernünftig. In ihrer Umsetzung schiesst sie massiv über das Ziel hinaus. Es sind grosse Eingriffe in die Wirtschaftsfreiheit, die unverhältnismässig und vielleicht sogar verfassungswidrig sind.»

So müssten sich die Unternehmen vertraglich für ein Darlehen verpflichten und geschäftliche Informationen an die Behörden liefern. Auch wenn etwa Axpo und BKW mehrheitlich im Besitz des Staates, nämlich von Kantonen sind, stört sie die staatliche Einmischung.

Das sei fast so, als würde der Bund in der Geschäftsleitung sitzen: «Der Bund erhält weitreichende Kompetenzen und Kontrollmöglichkeiten, die letztlich auf die Geschäftstätigkeiten Einfluss haben. Er kann nicht zwingend nötige Investitionen untersagen. So würden Investitionen im Winterstrom darunterfallen und entsprechend der Energiestrategie zuwiderlaufen», sagt Frank.

Freiwillig gerettet werden

Der VSE fordert deshalb eine Überarbeitung des Rettungsschirms. Zum Beispiel müsse das Mitmachen freiwillig sein, und man schliesse freiwillig einen Vertrag für Finanzhilfe ab. Als pragmatischer Ansatz verweist der VSE auf das Modell in Deutschland. Dort sei der Rettungsschirm freiwillig und die Bedingungen moderater.

Dass nur die grossen Konzerne unter den Schirm kommen, ist für Michael Frank auch ein Fehler: «Es sind nicht nur zwei oder drei Unternehmen, die systemkritisch sind. Es ist letztlich das System, das kritisch ist, um die Versorgungssicherheit über die Runden zu bringen. Es sind wesentlich mehr Unternehmen darin involviert, das zu gewährleisten.»

Stromfirmen geht es finanziell gut

Es ist erst wenige Monate hier, dass der Konzern Alpiq Schlagzeilen machte, als er beim Staat eine Milliarde Franken Finanzhilfe beantragte. Trotzdem sind die meisten Stromkonzerne gut aufgestellt – dessen ist sich auch der Bund bewusst.

Strommasten von unten fotografiert.
Legende: Die Schweizer Stromunternehmen stünden finanziell gut da, so der VSE. Viele hätten aufgrund der unsicheren Lage bereits für den Notfall vorgesorgt und ihr Kapital aufgestockt. Keystone

Es gehe nicht darum, die Rentabilität der Stromkonzerne infrage zu stellen, betont der Direktor des Bundesamtes für Energie, Benoît Revaz, es gehe um die Rettung in der Not: «Mit dem Rettungsschirm wollen wir den Extremfall decken, wo sehr hohe Liquidität benötigt wird.» Revaz will die ablehnende Haltung der Stromkonzerne nicht politisch kommentieren, der Bund habe die kritischen Stellungnahmen noch nicht gesehen.

Um in einem Worst Case den Kollaps der Strombranche zu verhindern, brauche es die gesetzliche Unterstellung der Stromkonzerne. Auch die Kantone, die oft Mitbesitzer der Stromkonzerne sind, könnten nicht so schnell handeln, also innert Stunden Milliardenbeträge freimachen. Dem Bund gehe es um die Versorgungssicherheit, im Ernstfall habe man keine Zeit, um noch lange zu verhandeln, sagt Revaz.

Der Vorschlag ist auf vier Jahre begrenzt. Doch der Bund will noch weitergehen. Er arbeitet an längerfristigen Regulierungen, etwa zu Transparenzvorschriften und Mindestanforderungen für Eigenkapital und Liquidität.

In der Sommersession soll das Parlament über die Vorlage beraten.

Echo der Zeit, 04.05.2022, 18:30 Uhr ; 

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