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Weltweite Märkte-Abschottung Die Schweiz ist besonders ausgeliefert

Der Welthandel ist gestört – doch daran ist nicht allein US-Präsident Trump mit seinen Zöllen schuld.

Es ist Simon Evenett zu verdanken, dass wir wissen, wie viele Zölle und andere protektionistische Handelshemmnisse jeden Tag neu eingeführt werden. Evenett ist Professor an der Universität St. Gallen.

Er hat den sogenannten «Trade Alert» aufgebaut. Das ist ein Warnsystem für den Welthandel und erfasst rund um den Globus jede Massnahme, die den internationalen Handel behindert oder fördert.

Weltweit 15’000 neue Handelshemmnisse

Seit der Finanzkrise hat das System x-fach Alarm geschlagen. So sind in den letzten gut zehn Jahren weltweit 15’000 neue Handelshemmnisse eingeführt worden. Nur gut 2000 davon sind Zölle; die restlichen 12’500 Massnahmen sind sogenannte nicht-monetäre Handelshemmnisse.

Dazu gehört etwa, einer ausländischen Firma einen Auftrag nur dann zu geben, wenn die Güter oder Dienstleistungen im eigenen Land hergestellt oder erbracht werden. Andere Mittel sind technische Handelshemmnisse oder der Ausschluss von ausländischen Firmen bei einer Ausschreibung.

Es gibt auch sinnvolle Beschränkungen

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Neben den rein protektionistisch motivierten Handelshemmnissen gibt es auch solche, die durchaus sinnvoll sind: Zum Beispiel im Bereich Gesundheit und Sicherheit. Doch auch diese werden nicht selten protektionistisch missbraucht. Ein Beispiel: Airlines müssen bei der Ankunft in den USA alle Frischwaren wegwerfen. Sie dürfen sie nicht kühlen und auf dem Rückflug verwenden. Sie müssen in den USA neu einkaufen.

Zwar würden die USA unter Trump ausländische Firmen in aller Öffentlichkeit von Aufträgen ausschliessen, doch andere Länder gingen ähnlich vor, sagt Evenett. Dabei werde die Liste nach Anzahl neu eingeführten Handelshemmnissen durchaus von den USA angeführt. Doch darauf folgten sogleich Kanada, Indien und Brasilien. Dabei leide China am stärksten unter all diesen Barrieren – auch das zeigt der «Trade Alert».

Wir haben heute ein weltweites Handelssystem, das krank ist.
Autor: Simon Evenett Professor für Welthandel und Entwicklung an der Uni St.Gallen

Der Welthandel sei denn auch nicht wegen der Importzölle rückläufig, sondern wegen dieser massiven Zunahme an anderen Handelshemmnissen, so Evenett. Zwar verwende jede Regierung eine andere Mischung an Massnahmen. Aber: «Alles gipfelt darin, dass wir heute ein globales Handelssystem haben, das krank ist.»

Weltkonjunktur wird gebremst

Der protektonistische Trend, der in der Finanzkrise begonnen habe, habe sich mit dem Amtsantritt von Trump akzentuiert, sagt Rudolf Minsch, Chefökonom beim Wirtschaftsdachverband Economiesuisse. Mit dem Handelskonflikt zwischen den USA und China seien die Auswirkungen mittlerweile so gross, dass die Massnahmen auch das Weltwirtschaftswachstum bremsten.

Die globale Dimension ergebe sich auch deshalb, weil Trump es salonfähig gemacht habe, sich nicht an die Regeln der Welthandelsorganisation WTO zu halten, fügt Evenett an. Auch würden Regierungen immer erfinderischer, wenn es darum ginge, ausländische Konkurrenz abzuwimmeln.

Schweiz ist besonders benachteiligt

Besonders schädlich sind nicht-monetäre Handelshemmnisse für kleine, offene Volkswirtschaften wie die Schweiz. Weil Schweizer Firmen stark auf den Export setzten, seien sie von solchen «Mätzchen» eins zu eins betroffen, wie Minsch sich ausdrückt.

Und Evenett ergänzt, dass es für Schweizer Unternehmen und unseren Wohlstand eminent sei, dass Märkte offen bleiben. «Jede Massnahme, die den Handel behindert, muss uns beunruhigen», betont er.

Jede Massnahme, welche den Handel behindert, muss die Schweiz beunruhigen.
Autor: Simon Evenett Professor für Welthandel und Entwicklung an der Uni St.Gallen

Wie kann es unter diesen Vorzeichen mit dem Welthandel weitergehen? Er sei eher pessimistisch, was die nähere Zukunft angeht, sagt Evenett. Trotzdem glaubt er aber auch: «Zeiten wie jetzt können helfen, dass weise Menschen erkennen, wo die Vorteile wirklich liegen: in einem offenen Handelssystem.»

Gerade kleine Länder wie die Schweiz könnten dabei wegleitend sein, ist der St.Galler Professor überzeugt. Unser Land könne mit Freihandelsverträgen vorausgehen und demonstrieren, wie vorteilhaft freier Handel für alle Beteiligten sei.

Zölle allein wären gar nicht so schlimm

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Die Credit Suisse hat im Frühling bei KMU nachgefragt, wie sehr sie Zölle und Handelshemmnisse belasten würden. Das Ergebnis: Es sind vor allem die nicht-tarifären Handelshemmnisse, die die Firmen belasten. Also nicht direkt die Zölle, sondern andere Massnahmen einzelner Länder zum Ausschluss von ausländischer Konkurrenz. Denn wenn Firmen zum Beispiel beweisen müssten, dass ihre Produkte aus der Schweiz stammten, oder gesetzeskonform seien, bedeute das zusätzliche Inspektionen und Prüfungen, erklärt Studienleiterin Tiziana Hunziker. «Das bedeutet hohen administrativen Aufwand und Zeitverlust.» Letztlich kosten solche Massnahmen die Firmen also Geld.

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