Neonlicht durchflutet die Prüfhalle von Autoneum in Winterthur. Ein silberner Kleinwagen steht auf Rollen. Ein Arbeiter drückt aufs Gas. Sensoren messen Lautstärke und Temperatur. Autoneum ist spezialisiert auf Lärm- und Hitzeschutz.
Das Unternehmen hat beispielsweise Motor-Kapselungen entwickelt, die Wärme im Motor über eine längere Zeit speichern, so dass er bei einem Kaltstart weniger Treibstoff verbraucht. Gleichzeitig dämpfen diese Kapselungen den Motorenlärm.
Grosses Wachstumspotenzial
Forschung und Entwicklung von Autoneum sind in Winterthur. Produziert wird vor Ort – dort, wo die Abnehmer sind. Das heisst an rund 50 Standorten in über 20 Ländern in Europa, Nord- und Südamerika sowie in Asien. Im Nahen Osten ist Autoneum indes nicht präsent, abgesehen von einer Niederlassung in der Türkei.
Das will Konzernchef Martin Hirzel ändern und nun in Iran Fuss fassen. Mit über 80 Millionen Menschen sei Iran für die Automobilindustrie ein sehr interessantes Land. In der Vergangenheit seien über anderthalb Millionen Fahrzeuge lokal produziert worden. Aktuell seien es weniger als eine Million: «Entsprechend gibt es ein Zuwachspotenzial für die nächsten Jahre.»
Rückzug nach Verschärfung der Sanktionen
Allein das Wachstumspotenzial auf dem Heimmarkt Iran ist also riesig. Darüber hinaus können Autos in Iran hergestellt und in andere Länder in der Region exportiert werden. Das braucht aber noch Zeit: Die Wirtschaftssanktionen haben die Branche zurückgeworfen. Die Fabriken sind veraltet, viel Know-how ist verlorengegangen.
«In der Vergangenheit haben vor allem die französischen Hersteller Peugeot-Citroën und Renault, aber auch Kia aus Südkorea und der chinesische Chery in Iran Autos gebaut», weiss Hirzel. Diese hätten sich mit der Verschärfung der Sanktionen aber wieder zurückgezogen. Heute produzierten nur noch Renault und Chery in Iran.
Bei Renault oder Peugeot-Citroën möchte Autoneum nun andocken, um den iranischen Markt zu erschliessen. Mit beiden führen die Winterthurer Gespräche. «Wenn Autoneum entsprechende Aufträge von internationalen Autobauern in Iran erhält, werden wir die Teile vor Ort produzieren müssen und entweder ein Werk erstellen oder in Zusammenarbeit mit einem lokalen Partner produzieren», sagt Hirzel.
Sprach- und andere Barrieren
Auf einem Markt wie Iran sei man auf starke Partner angewiesen, betont der Autoneum-Chef: «Wir unterschätzen die Herausforderungen nicht: die Geschichte, die Sprache, die Kultur, aber auch das Geschäftsgebaren vor Ort.» Nicht zu vergessen, dass es trotz gelockerter Sanktionen nach wie vor viele Verbote und Einschränkungen gebe.
Als grosse Herausforderung nennt Hirzel zum Beispiel der Zahlungsverkehr: «Meines Wissens gibt es noch kaum internationale Banken, die uns vor Ort helfen könnten.»
Die Grossbanken halten sich aus Angst vor potenziellen Konflikten mit der US-Justiz zurück, weil noch nicht alle Sanktionen aufgehoben sind. Eine befriedigende Antwort bezüglich Finanzierung und Zahlungsverkehr hat das «Projektteam Iran» von Autoneum noch nicht.
Ausdauer gefragt – Rückschläge möglich
Andere Punkte lassen sich schneller abhaken, etwa die Kosten: Hirzel rechnet mit einem zweistelligen Millionenbetrag, um einen Markt neu zu erschliessen. Das zeigten die Erfahrungen mit Russland oder China vor ein paar Jahren.
Es gehe um eine langfristige Investition, sagt Hirzel: «Wenn man heute in der Automobilindustrie einen Auftrag erhält, vergehen zwei bis drei Jahre, bis das Fahrzeugmodell produziert wird. Somit sind Umsätze nicht vor drei bis fünf Jahren zu erwarten.»
Das schnelle Geld kann Autoneum also nicht machen in Iran. Es braucht Geduld und ein ausreichendes Kapitalpolster für allfällige Rückschläge. Diese lassen sich angesichts der politischen Lage im Nahen Osten nicht ausschliessen.