Yu Hong sitzt in einem gläsernen Büro, die Marketingfrau berichtet stolz von einer Smartphone-App, die China im Sturm erobert hat. Die App heisst «Hast Du Hunger?». Smartphone-Nutzer können damit Essen nach Hause bestellen.
Entwickelt wurde die erfolgreiche App aber weder von Yu Hong noch von ihrem Arbeitgeber, sondern von einer Gruppe Studenten. Yu Hongs Job ist es nämlich, junge Chinesen mit einer guten Idee zu finden – und sie dann mit Geld und Know-How zu unterstützen. «I-Start» nennt sich dieser «Business-Incubator».
Es ist eine Art Starthilfe für Jungunternehmer wie Li Mingming. Er hat sein Büro zwei Stockwerke unter «I-Start». Sein Unternehmen profitiert vom günstigen Mietzins und betreibt Suchmaschinen-Optimierung: «Wir analysieren, wie Internet-Suchdienste Anfragen kalkulieren. Und sorgen dann dafür, dass die Webseiten unserer Kunden bei einer Online-Suche möglichst weit oben angezeigt werden.»
Landesweit schon 1600 «Business-Incubators»
Von Tech-Unternehmen wie das von Li Mingming hätte Chinas Regierung gerne mehr. Sie gehören zur Innovations- und Dienstleistungsbranche, auf die Chinas Premierminister Li Keqiang seine Hoffnung setzt.
Vor zwei Jahren begann China mit einer Förderkampagne für Jungunternehmer. Seither wurden im ganzen Land 1600 Business-Inkubatoren wie «I-Start» eröffnet. Allein in «I-Start» hat die Stadtregierung von Shanghai zusammen mit einem Risikokapitalunternehmen 30 Millionen Franken investiert.
Du Debin ist Professor für Innovationsstrategie an der Huadong-Shifan-Universität in Shanghai. Er unterstützt Pekings Innovations-Politik grundsätzlich: «In den letzten 30 Jahren verliess sich China auf billige Arbeitskräfte. Jetzt hat unsere Wirtschaft aber ein Plateau erreicht. Um uns weiter zu entwickeln, brauchen wir Innovation.»
Hauptsächlich neue Smartphone-Apps
Aber reicht es denn, einfach Geld auszugeben und darauf zu warten, dass die Innovation von selbst kommt? Du Debin zweifelt: «Bisher sind es vor allem innovative Geschäftsideen im Internet. Wenn die Jungunternehmer nur auf neue Smartphone-Apps setzen, dann gibt es wenig Hoffnung auf die Entwicklung neuer Technologien. Das heisst: China hat zu wenig echte Innovation.»
So sieht Professor Du auch ein Problem im System. Denn echte Kreativität kann man nicht einfach kaufen – oder von oben herab verordnen: «Das chinesische Bildungssystem ist noch immer sehr streng. Es geht um Auswendiglernen, die Kreativität der Schüler und Studenten wird kaum gefördert. Auch geht es zu stark um Quantität, also zum Beispiel wie viele Artikel ein Akademiker im Jahr veröffentlichen muss, und zu wenig um die Qualität der Inhalte.»
90 Prozent der Ideen sind unrealistisch
Zurück bei «I-Start». Befehle gibt es hier keine, und man bemüht sich um eine lockere Atmosphäre. Es ist hell und gemütlich. Gleich hinter dem Empfangsschalter lockt ein kleines Café, Angestellte haben bunte Ballons in Sternchenform an der Decke befestigt.
Doch auch bei «I-Start» hätte man gerne mehr wirklich innovative Vorschläge. Yu Hong veranstaltet einmal in der Woche Events, um sich Ideen von jungen Chinesen anzuhören. «An einem Event kommen etwas über 100 interessierte Jungunternehmer. Sie haben alle möglichen Ideen, davon sind aber über 90 Prozent völlig unrealistisch.»
Nur ganz wenige Ideen schaffen überhaupt die erste Hürde: «I-Start» investiert im Jahr in vier bis fünf Projekte – dies aus mehreren Tausend Vorschlägen. Und so hofft man, trotz mangelnder Kreativität, allein aus der schieren Masse doch noch die nächste zündende Idee zu finden.