In diesem Job kann man nicht geliebt werden. Haris Theoharis wurde vor gut zwei Jahren oberster Steuersekretär Griechenlands. Ja, das stimme wohl, sagt er im Gespräch mit «ECO», «und doch habe ich viele positive Reaktionen erhalten, denn wir haben jeden Monat mehr Steuern eingenommen als geplant, und dadurch konnten wir weitere Steuererhöhungen verhindern».
55 Milliarden Euro an Steuerschulden waren ausstehend, als Theoharis antrat – mehr als ein Viertel des Bruttoinlandprodukts eines Landes, in dem Steuerhinterziehung geradezu als Volkssport betrieben wurde. Die ausländischen Geldgeber, insbesondere EU und IWF, hatten Griechenland gedrängt, einen unabhängigen Steuersekretär einzusetzen, der frei von politischer Einflussnahme agieren kann, und ohne Angst, seinen Job zu verlieren. Er war auf fünf Jahre nicht kündbar.
Vorwurf der «mangelnden Kooperation»
Haris Theoharis blieb gerade einmal eineinhalb Jahre, dann trat er zurück. Seine Begründung: «Ich habe gespürt, dass die Regierung zunehmend populistische Prioritäten setzte, während ich die Schlagkraft der Verwaltung erhöhen wollte». Unbestritten ist, dass die Regierung Druck aufsetzte auf Theoharis, offiziell wurde ihm «mangelnde Kooperation» mit Regierungsstellen vorgeworfen – und damit genau das, wofür er eingesetzt worden war.
Dabei sprechen die Zahlen für Theoharis. 2014 erzielte Griechenland einen Primärüberschuss und konnte damit erstmals seit vielen Jahren seine Ausgaben (ohne Schuldzinsen) mit den laufenden Einnahmen decken. Theoharis, einst Banker bei Lehman Brothers in London, sorgte dafür, dass mittlerweile 97 Prozent aller Steuererklärungen elektronisch eingereicht werden können. Er erwirkte, dass seine Mannschaft direkten Einblick in Bankdaten erhielt, um Steuerhinterziehern auf die Spur zu kommen.
Er nahm es mit unzähligen Freiberuflern und Kleinunternehmen auf, und mit Reichen, die vom Steuerzahlen nichts halten. Rückblickend hat er gar etwas Verständnis für deren Haltung: «Ich kann nachvollziehen, wenn Menschen keine Steuern zahlen wollen, solange die einen zahlen und jene, die nicht zahlen, nicht belangt werden. Aber genau das wollten wir ja ändern, indem wir das System strikter machten.» Er tat dies mit einem Eifer, der der Regierung im Sommer 2014 zu viel wurde.
Hoffnung auf baldige Rückkehr zerschlagen
Der Athener Wirtschaftssoziologe Alexandros Kyrtsis hat Theoharis‘ Arbeit verfolgt und kommt zum Schluss: «Theoharis hatte nie Angst, seinen Job zu verlieren. Er wusste, dass er jederzeit in den Finanzzentren dieser Welt wieder einen Job finden kann». Deshalb habe er auch den Mut gehabt, die neuen Steuergesetze so pedantisch anzuwenden, «und diese Art war bei Politikern nicht beliebt».
Haris Theoharis hatte sich Hoffnungen gemacht, bald wieder an die Schalthebel zurückzukehren. Er hatte für die gestrigen Wahlen kandidiert, auf der Liste der Zentrumspartei To Potami – und damit gegen die Regierung der Nea Demokratie, für die er einst arbeitete. To Potami holte als viertstärkste Kraft 5,8 Prozent der Stimmen. Die Aussicht, ein möglicher Koalitionspartner der Wahlsiegerin Syriza zu werden, existiert seit heute nicht mehr: Jene hat sich laut Medienberichten auf eine Koalitionsregierung mit den rechtspopulistischen Unabhängigen Griechen geeinigt.