Heinrich Bucher, Chef des Branchenverbandes Proviande, ist zweifellos ein Befürworter des Tierwohls. Es sei sehr positiv, dass immer mehr Bauern ihren Rindern, Schweinen und Hühnern Gutes tun wollten, sagt er.
Allerdings: «Es ist so, dass nicht alles Fleisch, das bei uns unter besonders tierfreundlichen Bedingungen produziert wird, auch als solches Absatz findet.» Das Angebot übersteigt die Nachfrage.
Das bestätigt auch der Bauernverband. Konkrete Zahlen, wie bedeutsam der Überschuss ist, gibt er zwar nicht bekannt, aber immerhin gibt es Schätzwerte. Bauernverbandssprecher Hans Rüssli sagt: «Ich denke, beim Rind wird übers Jahr gerechnet etwa die Hälfte in Tierwohlprogrammen mit einem entsprechenden Mehrpreis abgesetzt.»
Wirte scheuen höhere Kosten
Auch Coop bestätigt, dass das Angebot an besonders tierfreundlich produziertem Fleisch die Nachfrage übersteigt. Weil die Bauern zu viel produzierten, könnten nicht alle in die Labelprogramme aufgenommen werden. Zudem wollten die Kunden nicht alles, was unter dem Label «besonders tierfreundlich» angeboten werde, auch kaufen.
Pouletflügel oder -schenkel etwa würden deshalb oft als konventionelles Fleisch unter Wert verkauft – oder gleich verwurstet. Auf die Gastronomie können die Bauern erst recht nicht zählen, denn viele Wirte scheuen die höheren Kosten.
«Das kann der Markt nicht aufnehmen»
Es stellt sich die Frage, warum sich trotzdem so viele Bauern für eine aufwändigere und teurere Tierhaltung entscheiden, wenn sie das Fleisch schon jetzt nicht loswerden und dann unter Wert verkaufen müssen. «Ganz einfach», sagt Bauernverbandssprecher Rüssli: «Es lohnt sich». «Die Landwirte nehmen daran teil, weil mit den Bundesbeiträgen zusätzliche Einkünfte generiert werden.» Und darum werde sogar ständig mehr Fleisch nach höheren Tierwohl-Standards produziert. «Das kann der Markt aber nicht aufnehmen.»
Der Bund will die Subventionen ab 2018 in etwa gleicher Höhe weiterzahlen. Das ist gut für Tiere und Bauern, aber schlecht für die Bundeskasse.