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Wohnungsknappheit Stockender Wohnungsbau: Wer ist schuld?

Die Schweizer Wohnbevölkerung wächst, gleichzeitig stockt der Wohnungsbau. Neue Bauzonen sind ein Vorschlag.

In der Schweiz sind Bevölkerungswachstum und Bautätigkeit in den letzten Jahren aus dem Takt geraten. Während allein im letzten Jahr netto fast 100'000 Personen in die Schweiz eingewandert sind, hat die Bautätigkeit hierzulande in den letzten Jahren abgenommen.

Was sind die Gründe für die geringe Bautätigkeit?

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  • Höhere Zinsen: «Es rentiert einfach nicht mehr so», erklärt Immobilienmarkt-Experte Donato Scognamiglio. Mit Rendite-Liegenschaften hätten Investoren vor wenigen Jahren drei Prozent verdient und der Bank im Gegenzug ein Prozent gezahlt. Heute verdiene ein Investor drei Prozent und zahle der Bank drei Prozent. Bei einer solchen Rechnung investiere man nicht mehr in Beton, sondern lieber in den Aktienmarkt, so Scognamiglio. Dass diese Entwicklung auf die Bautätigkeit drückt, bestätigt auch André Wyss, Konzernchef von Implenia. Dabei treffe es vor allem kleinere und mittlere Projekte, grössere würden weiterhin realisiert.
  • Wartezeit zwischen Baugesuch und Baubewilligung: In allen Schweizer Kantonen ist diese Frist zwischen 2010 und 2022 angestiegen. Darin eingeschlossen sind auch Einsprachen und Projektänderungen. André Wyss sieht hier Handlungsbedarf. Es sei realistisch, gewisse Prozesse zu vereinfachen, glaubt er. Doch es brauche eine breite Allianz dafür. Es gebe leider auch viele Einsprachen, die missbräuchlich seien, so Donato Scognamiglio. Laut Maria Lezzi, Direktorin beim Bundesamt für Raumentwicklung, wird aktuell ermittelt, warum Verfahren, Baubewilligungen und Planungsprozesse so lange dauerten. Auch Einsprachen und Beschwerden würden genauer analysiert. Noch gebe es keine Zahlen darüber, wer welche Einsprachen zu welchen Projekten mache.
  • Verdichtetes Bauen ist komplexer: «Es muss verdichtet werden, es muss in die Höhe gebaut werden, wir müssen enger zusammenkommen», so André Wyss. Doch die Auflagen, die es gebe, seien zum Teil schwierig umzusetzen. In die Höhe und in die Tiefe zu bauen sei möglich und sinnvoll, glaubt auch Donato Scognamiglio. Doch das habe seinen Preis.

Wohnungen gebaut werden dürfen in der Schweiz nur in dafür ausgewiesene Zonen. Rund fünf Prozent der Fläche der Schweiz sind Bauzonen – und fast die Hälfte davon Wohnzonen.

Würden die noch nicht überbauten Bauzonen mit derselben Dichte wie bisher überbaut, böten sie theoretisch Platz für 0.9 bis 1.6 Millionen zusätzliche Einwohnerinnen und Einwohner.

Um mehr Wohnraum zu schaffen, setzt das Raumplanungsgesetz auf Verdichtung statt auf neue Bauzonen. Eine Massnahme, um die Zersiedelung der Landschaft zu verhindern.

André Wyss, Konzernchef von Implenia, dem grössten Schweizer Baukonzern, sieht bei Verdichtungen grosse Opportunitäten. Ebenso bei Umnutzungen – doch diese seien zum Teil aufwendig und kosteten viel Geld. Wyss findet, die Bewilligungsverfahren sollten vereinfacht werden.

Gebäude.
Legende: Der Bauplatz des Tramdepot Hard beim Escher-Wyss-Platz in Zürich. Über dem Depot ist eine Wohnsiedlung mit 193 Wohnungen und Gewerbe geplant. Keystone/Christian Beutler

Donato Scognamiglio, Immobilien-Experte und Dozent an der Universität Bern, plädiert für eine Lockerung der starren Trennung zwischen Arbeitszonen und Wohnzonen. «Wenn dort Büros sind, die niemand braucht, kann man daraus nicht Wohnungen machen? Kann man nicht eine Mischzone machen?» fragt Scognamiglio.

Braucht es bald mehr Bauland?

Verdichtung und Umnutzung sind zwei Möglichkeiten, mehr Wohnraum zu schaffen. Eine andere wäre, wieder mehr Bauland auszuweisen. «Es wäre gelogen, zu sagen: Wenn die Schweiz weiter erfolgreich ist, können wir einfach alles verdichten. Weil: Das ist auch teuer», so Scognamiglio. Er glaubt, dass es künftig kein Tabu sein werde, auch zusätzliches Bauland auszuweisen.

«Wenn meine Hosen zu knapp sind, kaufe ich ein paar grössere Hosen. Dass es nicht beliebt ist, grössere Hosen zu kaufen, ist mir sonnenklar», so der Immobilien-Experte. Auch André Wyss sieht sehr viel Potenzial bei Verdichtung und Umnutzung, aber: «Wenn das nicht mehr ausreicht, dann werden wir wahrscheinlich auch über Umzonungen diskutieren», so der Implenia-Chef.

Wenn das nicht mehr ausreicht, werden wir wahrscheinlich auch über Umzonungen diskutieren.
Autor: André Wyss Konzernchef, Implenia

Maria Lezzi, Direktorin im Bundesamt für Raumentwicklung, wehrt sich gegen die Vorstellung, zusätzliche Bauzonen könnten das Wohnproblem lösen. «Wenn man das will, müssen wir Gesetze anpassen. Das dauert fünf bis sieben Jahre. In dieser Zeit haben wir Planungs- und Investitionsunsicherheit, und keine einzige neue zusätzliche Wohnung», gibt Lezzi zu bedenken.

ECO Talk, 08.04.2024, 22:25 Uhr ; 

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