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Wozu Konjunkturprognosen? Prognosen zum BIP sind unsicher, aber gefragt

Wie stark wächst die Schweizer Wirtschaft im nächsten Jahr? Wie immer um diese Jahreszeit präsentieren Institute, Banken, Verbände und Behörden reihum ihre neusten Konjunkturprognosen. Demnach dürfte das Bruttoinlandprodukt (BIP) der Schweiz im Jahr 2022 um 3 Prozent wachsen, wenn es nach den Ökonomen des Bundes oder der ZKB geht. Oder das Wachstum könnte auch nur 2.3 Prozent betragen, wenn die Forscherinnen und Forscher des Lausanner Instituts Créa richtig liegen.

Die Bandbreite der Schätzungen ist relativ gross. Und die Zahlen werden allesamt mit einer Warnung im Kleingedruckten versehen. So schreibt beispielsweise das Staatssekretariat für Wirtschaft Seco: «Die Unsicherheit ist aktuell sehr hoch, und die Risiken sind abwärtsgerichtet.» Der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse hält fest: «Die Entwicklung der Pandemie hat in den letzten zwei Jahren (...) mehrfach für Überraschungen gesorgt.»

Manchmal kommt’s anders, als man denkt

Kurz: Die Unsicherheiten sind gross. Sie sind grösser als noch im September bei den letzten Prognosen, als Omikron noch lediglich ein Buchstabe im griechischen Alphabet war. Die neusten BIP-Schätzungen können jederzeit von der Realität überholt werden, die aufwändige Analysearbeit der Fachleute kann zu Makulatur werden. Das ist beispielsweise dann der Fall, wenn die Pandemie den Bundesrat doch noch dazu veranlasst, die Schweiz wieder in einen Teil-Shutdown zu schicken, um die Spitäler vor dem Kollaps zu bewahren.

Kommt hinzu, dass Omikron nicht das einzige Risiko am Horizont ist. In den globalen Lieferketten klemmt es noch immer gewaltig. Und die Inflation hat weltweit ebenfalls angezogen, stärker und hartnäckiger, als es die Expertinnen und Experten noch im letzten Frühling vorhergesagt haben.

Wacklig, aber nicht wertlos

Auch wenn die Halbwertszeit der neusten BIP-Schätzungen allenfalls kurz ist: Umsonst ist die Arbeit der Forschungsgilde nicht.

Das Informationsbedürfnis ist gross: Unternehmen oder Behörden, die Budgets erstellen und Investitionspläne abwägen, brauchen einen Konjunktur-Kompass. So gesehen sind die BIP-Prognosen dieser Tage zwar mit besonderer Vorsicht zu geniessen, dennoch sind sie gefragt.

Eveline Kobler

Wirtschaftsredaktorin

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Eveline Kobler ist seit 2007 bei Radio SRF tätig und leitet seit Dezember 2016 die Wirtschaftsredaktion.

Rendez-vous, 09.12.2021, 12:30 Uhr

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