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Zinsentscheid der Nationalbank «Wir reduzieren die Belastungen für die Wirtschaft»

Die Schweizerische Nationalbank schwimmt gegen den aktuellen geldpolitischen Strom. Anders als andere Notenbanken hält sie an ihrem Negativzins fest. Ein Balance-Akt für den Präsidenten Thomas Jordan.

Thomas Jordan

Nationalbankpräsident

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Thomas J. Jordan wurde 1963 in Biel geboren. Er studierte Volks- und Betriebswirtschaftslehre an der Universität Bern. Er wurde 2012 vom Bundesrat zum Präsidenten des SNB-Direktoriums gewählt.

SRF News: Global betrachtet sind die Zinssenkungen wieder auf dem Vormarsch. Warum zieht die SNB nicht mit?

Thomas Jordan: Das internationale Umfeld ist schwieriger geworden, aber das ist genau der Grund, weshalb wir unsere expansive Geldpolitik fortsetzen. Der Negativzins von -0.75 Prozent und die Bereitschaft, bei Bedarf am Devisenmarkt zu intervenieren, bleiben sehr, sehr wichtig.

Manche Kommentatoren sagen jetzt, die SNB beweise ihre Unabhängigkeit, man lasse sich nicht von der Europäische Zentralbank hertreiben. Durch die Entscheidung nicht nachzuziehen, könnte aber auch wieder ein höherer Aufwärtsdruck auf den Franken entstehen.

Wir entscheiden immer unabhängig. Wir beobachten die globale Situation. Wir sehen, welche Entwicklungen wir im Inland in Bezug auf die Inflation und das Wachstum haben.

Im Moment ist ganz klar, dass wir unsere expansive Geldpolitik fortsetzen wollen.

Dann entscheiden wir, welche Geldpolitik notwendig für die Schweiz ist. Im Moment ist ganz klar, dass wir unsere expansive Geldpolitik fortsetzen wollen. Es gibt keinen Grund, diese im Moment zu ändern.

Wieso passen Sie die Berechnung der Negativzinsen auf die Bankguthaben neu an?

Wir müssen davon ausgehen, dass das Umfeld mit tiefen Zinsen und negativen Zinsen noch längere Zeit anhalten wird. Wir haben deshalb seit langem überlegt, ob wir das System anpassen müssen. Jetzt haben wir das System angepasst, um sicherzustellen, dass wir mit diesem Negativzins-Regime auch in der Zukunft noch längere Zeit fortfahren können. Dadurch haben wir auch Handlungsspielraum für die Zukunft geschaffen und wir können gleichzeitig die Belastungen für die Wirtschaft reduzieren

Wie stark wird diese Entlastung ausfallen?

Die Belastung wird deutlich reduziert, indem wir weniger einnehmen. Der Freibetrag für die Banken beim Negativzins wird vergrössert und dadurch die Belastung der Banken, aber auch der Wirtschaft, insgesamt reduziert.

Die Belastung der Banken und der Wirtschaft wird insgesamt reduziert.

Wir haben jetzt ein dynamisches System. Das berücksichtigt die Veränderung der Bilanzen bei den Banken. Wir passen diesen Freibetrag dynamisch über die Zukunft an in Abhängigkeit der Entwicklung der Bankbilanzen.

Lässt sich die Entlastung beziffern?

Wir gehen davon aus, dass die Einnahmen der Negativzinsen für die Nationalbank in der Grössenordnung von etwa der Hälfte reduziert wird.

Ist es auch ein Versuch, Sparer vor den Folgen von Negativzinsen auf ihren eigenen Bankkonten zu schützen?

Die Banken müssen entscheiden, wie sie diesen Freibetrag einsetzen. Sie haben jetzt alle diese Möglichkeiten, eben durch diese Entlastung. Wir gehen davon aus, dass die Wirtschaft durch diese Massnahmen vom Negativzins auch entsprechend entlastet wird.

Die Kritik an den Negativzinsen hat in den letzten Wochen immer weiter zugenommen. Knicken Sie da jetzt ein bisschen ein?

Überhaupt nicht. Wir haben ja diese Massnahme seit langem überlegt. Das kann man nicht von heute auf morgen einführen. Wir entscheiden immer unabhängig. Wir müssen aber eine Gesamtbilanz ziehen, wir machen eine Geldpolitik im Gesamtinteresse des Landes.

Wir entscheiden immer unabhängig.

Und weil wir davon ausgehen, dass diese Tiefzinsphase noch länger anhalten wird, haben wir uns entschlossen, auf ein dynamisches System überzugehen und möglichst die Wirtschaft zu entlasten, wo das entsprechend möglich ist.

Die Tiefzinsphase dürfte noch länger weitergehen. Für Kleinsparer und für Pensionskassen ist es ein kleiner Trost, dass da jetzt die Banken ein bisschen mehr Spielraum bekommen. Können Sie verstehen, dass diese Tiefzinspolitik auch in der Bevölkerung auf immer grössere Verärgerung stösst?

Für die Pensionskassen und die Sparer ist es natürlich eine schwierige Situation, wenn wir so tiefe Zinsen haben. Aber man muss immer wieder berücksichtigen, dass ein wesentlicher Teil der tiefen Zinsen nicht durch die Geldpolitik verursacht, sondern strukturell bedingt ist.

Wir haben viel tiefere Zinsen, weil wir zum einen eine tiefe Inflation haben.

Wir haben viel tiefere Zinsen als noch vor zehn, zwanzig Jahren, weil wir zum einen eine tiefe Inflation haben, aber auch, weil der sogenannte Realzins viel tiefer ist. Es wird viel mehr gespart, die Demografie hat eine grosse Bedeutung und das wirkt alles auf das Zinsniveau. Das muss man entsprechend berücksichtigen.

Das heisst, die SNB ist nicht alleine schuld am aktuellen Phänomen?

Die Negativzinsen sind nötig, damit wir die adäquaten monetären Bedingungen in der Schweiz haben. Man kann ja ein Gedankenspiel machen. Was würde passieren, wenn die Nationalbank die Zinsen erhöhen würde? Unter dem Strich würde das der Schweiz schaden. Es würde den Leuten schaden, weil es der Konjunktur schlechter gehen würde. Wir hätten Negativinflation, die Leute hätten möglicherweise wegen grösserer Arbeitslosigkeit gar keine Beiträge mehr in einer Pensionskasse. Alle diese Sachen spielen zusammen.

Das Gespräch führte Stefanie Knoll.

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