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Zinswende EZB kündigt Anhebung des Leitzinses im Juli an

  • Die Europäische Zentralbank (EZB) beendet ihre milliardenschweren Netto-Anleihenkäufe zum 1. Juli.
  • Sie macht damit den Weg frei für die erste Zinserhöhung im Euroraum seit elf Jahren.
  • Das beschloss der EZB-Rat bei seiner auswärtigen Sitzung in Amsterdam. Im Juli will die EZB die Leitzinsen dann um jeweils 25 Basispunkte heben.
  • Dies ist die erste Erhöhung seit 2011. Seit Jahren ist die EZB nach der globalen Finanzkrise, der Staatsschuldenkrise um Griechenland und der Coronavirus-Pandemie im Notfallmodus gewesen.
  • Nun steigt die Wahrscheinlichkeit, dass auch die Schweizerische Nationalbank (SNB) nachzieht.

Die historisch niedrigen Zinsen und Anleihenkäufe waren einst dafür gedacht, um für mehr Inflation zu sorgen. Die EZB strebt eigentlich eine Teuerungsrate von zwei Prozent als idealen Wert für die Wirtschaft an. Jahrelang war die Inflation aus EZB-Sicht viel zu niedrig.

Mittlerweile hat sich das Bild aber radikal geändert, zuletzt wurden die hohen Energiepreise durch den Krieg in der Ukraine zusätzlich angeheizt. Auch Lebensmittel und viele Rohstoffe sowie Vorprodukte für die Industrie sind deutlich teurer geworden. Im Mai lag die Inflation im Euroraum bei 8.1 Prozent – ein Rekord.

EZB-Prognose: Schwächeres Wirtschaftswachstum, höhere Inflation

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Die EZB rechnet in ihrer am Donnerstag vorgelegten Prognose mit einem deutlich schwächeren Wirtschaftswachstum und einem stärkeren Anstieg der Verbraucherpreise als im März angenommen.

Demnach wird die Teuerungsrate in diesem Jahr bei 6.8 Prozent liegen. Im März war die Notenbank noch von 5.1 Prozent und im Dezember von 3.2 Prozent ausgegangen. Die Wirtschaft im Euroraum wird nach der neuesten EZB-Vorhersage in diesem Jahr um 2.8 Prozent zulegen (März-Prognose: 3.7 Prozent).

Das wird auch die Zinswende nicht grundsätzlich ändern: «Erwarten wir, dass die Zinserhöhung im
Juli unmittelbare Auswirkungen auf die Inflation haben wird? Die Antwort lautet: Nein», sagte EZB-Präsidentin Christine Lagarde am Donnerstag. «Es ist kein Schritt, es ist eine Reise.»

Kritiker werfen der EZB vor, viel zu langsam zu agieren. In den USA und Grossbritannien wurden die Zinsen bereits deutlich angehoben. Im Euroraum liegen die Leitzinsen dagegen noch bei 0.0 Prozent. Ausserdem verharrt der sogenannte Einlagensatz weiterhin bei minus 0.5 Prozent.

Geschäftsbanken müssen also Strafzinsen zahlen, wenn sie überschüssige Gelder bei der EZB parken. Hier könnte die EZB zuerst ansetzen. EZB-Präsidentin Christine Lagarde hatte kürzlich angekündigt, Negativzinsen sollten bis Ende September Geschichte sein.

«Balance-Akt für die EZB»

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So schätzt Klaus Ammann aus der SRF Wirtschaftsredaktion das Vorgehen der EZB ein:

«Es ist eine heikle Balance, die die Europäische Zentralbank finden muss. Einerseits kann sie – angesichts der rekordhohen Inflation – gar nicht anders als die Zinsen nach über 10 Jahren wieder anzuheben.

Andererseits muss die EZB verhindern, dass die europäische Wirtschaft durch diese Wende zu stark gebremst wird. Die Pandemie ist weltweit noch nicht wirklich überwunden und der Ukraine-Krieg hat zu nie dagewesenen Verwerfungen geführt.

Lange, vielleicht zu lange hat die EZB-Führung gehofft, die Inflation verziehe sich von selbst wieder – und gezögert. Und nun will sie die Wende langsam vollziehen, die Zinsen in kleinen Schritten anheben.

Möglich, dass die EZB mit diesem Vorgehen die Inflation bis in zwei Jahren wieder auf zwei Prozent drücken kann. Möglich aber auch, dass die Inflation die EZB bald zu energischeren Schritten zwingt. Der Balance-Akt geht weiter.»

SNB dürfte bald nachziehen

Die meisten Expertinnen und Experten gehen davon aus, dass die SNB der Europäischen Zentralbank (EZB) den Vortritt lassen wird und mit einer kleinen Verzögerung dann auch die Zinsen anheben wird.

Wann genau das sein wird, ist umstritten. So erwarten etwa die Ökonomen der Grossbank UBS oder von Raiffeisen einen ersten Schritt im September. Andere, etwa die Experten der Credit Suisse, prognostizieren den ersten Zinsschritt hingegen erst für den Dezember.

Ein Vorpreschen der SNB, also ein Zinsschritt schon an der geldpolitischen Lagebeurteilung vom kommenden Donnerstag, wird kaum erwartet. Der Grund: Mit einem solchen Schritt würde der Franken zum Euro attraktiver und könnte an Wert gewinnen. Dies will die SNB bekanntlich vermeiden, weil ein stärkerer Franken die Schweizer Exportwirtschaft wieder vor Probleme stellen könnte.

Unisono wird davon ausgegangen, dass der Leitzins in kleinen Schritten erhöht wird. Bis der Leitzins wieder im positiven Bereich ist, könnte es somit dauern. Die Credit Suisse geht etwa davon aus, dass der Leitzins erst Ende 2023 die Null-Prozent-Marke erreicht.

SRF 4 News, 09.06.2022, 14:00 Uhr ; 

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