Zuverlässige Coronatests, neue Impfstoffe, neue Medikamente in Entwicklung: Das alles in nur zwei Jahren – aus Sicht von Marie-Lyn Hecht, Pharmaspezialistin des Beratungsunternehmens EY, bot das eine perfekte Bühne für die Pharmabranche – die diese auch zu nutzen wusste: «Hier wurde klar, welchen Beitrag die Pharmaindustrie, die Biomedizinische-Forschung und die Innovation leisten.»
Weltweite Kooperationen angestrebt
Nur: Gerade die so wichtigen Impfstoffe sind keine Schweizer Erfindungen. Doch das schmälert in den Augen vieler Branchenexperten die Leistungen des Schweizer Standorts nicht. Denn Pharma-Unternehmen arbeiten eng mit den Entwicklern zusammen und suchen weltweit Kooperationen.
Nico Kleyn leitet beim Beratungsunternehmen Deloitte die europäische und schweizerische Pharma-Beratung: «Wir sehen, dass Pharma-Unternehmen und Regulierungsbehörden oder Regierungen auf eine neue und effiziente Art zusammenarbeiten.»
Die neuen Zusammenarbeitsformen würden die Schweizer Pharmakonzerne mittlerweile stärker und schneller nutzen als bisher. Eines der bekanntesten Beispiele ist die Kooperation zwischen dem US-Impfstoffentwickler Moderna und Lonza. Das Schweizer Unternehmen stellt im Wallis die Wirkstoffe her.
«Zusammenarbeit mit Behörden speditiv»
Zudem haben Firmen alleine oder in Kooperation begonnen, nach Medikamenten gegen Covid zu forschen. Die Zusammenarbeit mit Behörden sei überraschend speditiv gewesen, so Kleyn: «Dadurch leistet die Industrie ihren Beitrag, dass mehr Menschen Zugang zu Gesundheit und Wohlbefinden erhalten, in der Schweiz, aber auch weltweit.»
Diese Einschätzung teilt auch Marie-Lyn Hecht. Vorhersehbar sei dies nicht gewesen. «Vor zwei Jahren war aufgrund der Neuartigkeit der Situation niemandem klar, wohin die Reise geht. Es waren verschiedene Szenarien denkbar: von weitreichenden Schäden der Wirtschaft bis hin zu einer Rezession. Oder auch eine schnelle Genesung, wenn schnell Impfstoffe auf den Markt kommen.»
Insgesamt konnten zum Beispiel Lonza, Roche und Novartis, die kürzlich ihre Jahresabschlüsse publiziert haben, robust weitergeschäften und Gewinne schreiben. «Die Wertschätzung in der Pharmaindustrie war nicht beeinträchtigt. Das hängt damit zusammen, dass internationale Pharma-Firmen über modernste Kommunikationstechnologien verfügen und so ihre Kerntätigkeiten und auch die Zusammenarbeit im Unternehmen normal weiterführen konnten.»
Das tönt selbstverständlich. Aus Sicht der Branche ist gerade dieses gewohnte Bild aber trügerisch. Denn für die Branche wichtige politische Fragen sind ungeklärt. Die Beziehungen zwischen der Schweiz und Europa zum Beispiel. Würden diese Beziehungen nicht geklärt, kämen Exporte bald ins Stocken, warnen Branchenvertreter regelmässig.
Pharmabranche als Krisen-Vorsorge
Der Chef des Branchenverbands Interpharma, René Buholzer, wundert sich über die fehlende wirtschaftspolitische Dringlichkeit. «Die Situation ist wie der Frosch mit dem Wasser: Wirft man ihn ins heisse Wasser, springt er heraus uns es gibt den Aufschrei. Wir sind aber nicht in einer solchen Situation. Unsere Situation ist aber, dass das Wasser langsam wärmer wird und der Frosch vergisst, rauszuspringen und umkommt.»
Und so hofft Buholzer, dass seine Appelle gehört werden. Denn eine funktionierende Pharmabranche, die auch konjunkturelle Dellen in aller Regel gut meistert, sei letztlich die beste Krisen-Vorsorge für die Schweizer Wirtschaft.