Über die Vergangenheit wissen wir vieles: Wie die Menschen gelebt, welche Werkzeuge sie verwendet und welche Kriege sie geführt haben. Doch wie sieht es mit unserem heutigen Leben aus? Was wird davon in 1000 Jahren übrig bleiben? Ein Archäologe und ein Digital-Experte ordnen ein.
Die materielle Welt
Dass wir heute in Häusern aus Beton leben, wird wohl auch in 1000 Jahren noch bekannt sein. Denn Beton ist langlebig. Generell überdauern harte, anorganische Materialien wie Stein, Keramik, Metall und Knochen die Zeit. In letzteren können Forscher beispielsweise ablesen, wie sich die Menschen ernährt haben. Auch Jahrhunderte nach deren Tod.
Unter guten Bedingungen können Textilien 6000 Jahre überdauern.
Philippe Della Casa, Archäologie der Uni Zürich, nennt zudem Ewigkeitschemikalien (PFAS) und Mikroplastik als Materialien, die hunderte Jahre überdauern können.
Im Gegensatz dazu verrotten pflanzliche Materialien und Textilien schnell. Ausser, sie sind von Luft abgeschlossen und in einem feuchten Milieu gelagert. «Unter solchen Bedingungen können Textilien auch 5000 bis 6000 Jahre überdauern. Das sehen wir bei den Schweizerischen Pfahlbausiedlungen.»
Brüche in der Geschichte
Quellen wie Bauten, Materialien und Knochenreste müssen jedoch auch «gelesen» und gedeutet werden können. Zum Beispiel: Ein Legostein bleibt zwar erhalten, unseren Nachfahren wird in 1000 Jahren aber vielleicht unklar sein, was wir damit gemacht haben.
Es fehlt der kulturelle Kontext für die Interpretation, oft aufgrund von Brüchen in der Geschichte. Als Beispiele für solche Umbrüche nennt Della Casa Klimaveränderungen, Kriege, Vulkan- oder Krankheitsausbrüche.
Im Zahnstein sind Gesundheitsinformationen archiviert. Wenn wir Zähne putzen, berauben wir sozusagen dieses Archiv.
Kriege seien zum Beispiel im Nachhinein an den Überresten von Massengräbern, Waffen oder Minenfeldern erkennbar. Bei Krankheiten sei dies schwieriger. Zwar werden Informationen zum Gesundheitszustand in Knochen, Zähnen und Zahnstein «archiviert» – «wenn wir aber unsere Zähne gründlich putzen, berauben wir sozusagen dieses Archiv», erklärt Della Casa.
Die digitale Welt
Hinzu kommt, dass wir heute über ein riesiges immaterielles Wissen verfügen, das meist digital gespeichert wird. Deren Haltbarkeit ist begrenzt: «Eine DVD hält vielleicht 100 Jahre, eine Festplatte nur 30 Jahre», sagt Jürg Tschirren von der SRF-Digitalredaktion.
Und auch hier stellt sich die Frage der Interpretier- und Lesbarkeit. Intakte Daten bringen nichts ohne passendes Lesegerät oder Software. Darum sei es wichtig, Daten immer wieder «auf einen neuen Datenträger umzukopieren, bevor der alte kaputtgeht oder man kein Lesegerät mehr hat».
Auch an neuen Speichermedien aus Keramik oder Metall wird geforscht. «Das ist ein wichtiges Thema für Institutionen, die Wissen erhalten, wie Bibliotheken, Archive, Museen.»
Geschichte wiederholt sich – auch im Vergessen
Trotzdem wird es «unmöglich, all das digitale Wissen für die Zukunft zu behalten», sagt Jürg Tschirren. Schlicht, weil die Datenflut riesig ist und die Datensicherung Zeit, Geld und Mittel beansprucht. «Viele Alltagsdokumente und private Erinnerungen werden auf lange Zeit wahrscheinlich verschwinden.»
Das sei kein neues Phänomen. Was aus der Vergangenheit überliefert ist, bildet nur einen kleinen Teil des damaligen Wissens ab - oft das der Mächtigen. «Über das Leben der Könige wissen wir heute besser Bescheid, als über das Alltagsleben von Bäuerinnen und Bauern», erklärt Tschirren.
Und so wird auch das, was von uns in 1000 Jahren übrig bleibt, ein selektiver Blick auf unser heutiges Leben sein.