Wie die Jungfrau zum Kind, in etwa so ist Niels Rodin auf die Zitrusfrucht gekommen. Der ehemalige Direktor einer Westschweizer Privatbank hatte sich nämlich ein kleines Zitronenbäumchen gekauft. Als Deko für seine Terrasse. Das Bäumchen gedieh gut, die Früchte schmeckten lecker und als der Winter kam, stellte Niels Rodin sein Bäumchen in die gute Stube. Gerade dies bekam der Pflanze aber alles andere als gut. Als der Winter vorbei war, war das Bäumchen tot.
Er vertiefte sich in alles, was er über Zitrusfrüchte finden konnte
«Das konnte ich so nicht hinnehmen», sagt Rodin «ich musste unbedingt herausfinden, was ich mit meinem Zitronenbäumchen falsch gemacht hatte». Also vertiefte sich der Banker vor 17 Jahren in all das, was er zum Thema Zitrusfrüchte auftreiben konnte: Fachliteratur, Gartenjournale, Artikel auf Google... und es tat sich ihm eine neue Welt auf. Die Welt der Zitrusfrüchte.
Ich musste unbedingt herausfinden, was ich mit meinem Zitronenbäumchen falsch gemacht hatte.
Eine überaus faszinierende Welt, sagt Rodin. «Anhand der Zitrusfrucht, deren Geschichte weit zurückreicht, kann man auch die Geschichte der Menschheit aufzeigen, man kann die Pflanzen züchten und zum Gedeihen bringen und man kann damit kochen. Das ist doch faszinierend und wunderbar».
Banker oder Zitrusbauer?
Die Passion für die sauren Früchte liess Niels Rodin fortan nicht mehr los. Über viele Jahre investierte der Banker praktisch jedes freie Wochenende, jeden Feierabend in die Zitruspflanzen. Er kaufte eine nach der anderen. Schon bald wurde der Platz auf der Terrasse knapp und auch die paar wenigen zugemieteten Gewächshäuser genügten irgendwann nicht mehr. Rodin musste sich entscheiden: Banker oder Zitronenbauer? Börsenkurse und Konti oder Buddha's Hand und Yuzu?
Er entschied sich für die Zitrusfrüchte. Kaufte vor fünf Jahren in Borex in der Nähe von Nyon eine Gärtnerei und baut seither dort Zitrus-Raritäten an. «Meine Familie hat sich damals Sorgen gemacht, weil ich einen gutbezahlten Job aufgeben und als Zitronenbauer durchstarten wollte,» erinnert sich Rodin. Und die Bauern aus der Umgebung sagten: « il est complètement fou, ça ne marchera jamais» – «er ist verrückt, das wird niemals funktionieren!»
Spitzenköche sind seine Kunden
Aber alle sahen sich getäuscht. Als Banker wusste Niels Rodin, nämlich nicht nur, wie man einen funktionierenden Businessplan macht, er konnte sich auch 100 Prozent auf seinen Durchhaltewillen und seine Passion verlassen. Und heute, fünf Jahre nachdem er seinen Job als Banker definitiv an den Nagel gehängt hat, geben sich Sternenköche wie Andreas Caminada oder auch die französische Spitzenköchin Anne-Sophie Pic bei Niels Rodin in Borex VD die Klinke in der Hand.
In der Sendung «À point – Wissen aus der Küche auf den Punkt gebracht» tischen wir Ihnen Wissenswertes rund um die Küche und das Kochen auf.
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Immer auf der Suche nach neuen Aromen, neuen Konsistenzen, nach Zitrusfrüchten, die man hierzulande noch nicht kennt. Und ja, ob Faustrime, Kaviarlimette, Zitronat-Zitrone, Buddha's Hand oder Yuzu – Niels Rodin hat sie alle. Und es werden immer mehr. «Befreundete Zitrus-Freaks auf der ganzen Welt schicken mir immer wieder neue Früchte zum Degustieren», sagt Rodin.
Neue Pflanzen müssen in Quarantäne
Gefalle ihm eine, dann bestelle er und versuche die Pflanze hier zu akklimatisieren und aufzuziehen. Dies sei allerdings ein langer Weg. Die Pflanze darf nämlich erst nach zwölf Monaten Quarantäne in die Schweiz einreisen und muss anschliessend winterhart gemacht werden. Zu diesem Zweck wird sie auf einen Wurzelstock der dreiblättrigen Orange (Poncirus Trifoliata) aufgepfropft.
Aber selbst wenn alles gut geht, ist noch lange nicht klar, ob die Früchte der neuen Pflanze dann auch wirklich genau so gut schmecken, wie diejenigen, die ihm zugeschickt worden sind. Das Aroma einer Frucht, sagt Niels Rodin, hänge nämlich, wie beim Wein auch vom Boden ab, vom Terroir. Und das sei in Japan oder Brasilien eben nicht das gleiche wie hier in Borex.
Niels Rodin hat in den vergangenen Jahren in Borex nicht nur einen wunderbaren Garten Eden angelegt, den er streng nach den Vorgaben des biodynamischen Landbaus führt. Er hat in Sachen Zitrusfrüchte auch ein Kompetenzzentrum aufgebaut, das mit dem Jardin Botanique in Genf zusammenarbeitet. Diesem hat Niels Rodin übrigens von praktisch allen seinen Zitruspflanzen ein Pflänzchen vermacht. Als Backup sozusagen. Man weiss ja nie. Und sicher ist sicher.