Zum Inhalt springen

Konsum früher «Als Kind haben wir keine Süssigkeiten mehr gekriegt»

Im neusten Zeitzeugenprojekt «Das sind no Ziite gsi!», schaute Radio SRF 1, was sich beim Einkaufen seit dem Zweiten Weltkrieg verändert hat. Im Fokus standen Erinnerungen von Hörerinnen und Hörern, die Geschichte zu Geschichten werden liessen. Hier sind vier Highlights der Konsum-Woche.

Von Reis bis zu Gebetsbüchern gab es im Tante-Emma-Laden alles, was es fürs tägliche Leben brauchte. Teils kamen die Leute sogar von den Nachbardörfern, erinnert sich Elisabeth Dubach-Bühler. Sie war Verkäuferin in einem Lädeli im luzernischen Grossdietwil.

Entstehung Tante-Emma-Laden

Box aufklappen Box zuklappen
So sah ein Tante-Emma-Laden im Zürich der 1960er-Jahre aus.
Legende: So sah ein Tante-Emma-Laden im Zürich der 1960er-Jahre aus. ZVG

Früher nutzten die Menschen ihre Fensterläden, um etwas zu verkaufen. Sie hängten kurzerhand ihre Läden ab und funktionierten die Holzplatten als Theke um. So entstand im 15. Jahrhundert der Begriff «Laden» für ein Geschäft.

Diese Läden wurden oftmals von einer Frau geführt. Offenbar war «Emma» früher ein gängiger Name für Hausangestellte und Dienstbotinnen. Und der Zusatz «Tante» steht für eine freundliche Frau.

Mit der Industrialisierung reichten die Tante-Emma-Läden für die Versorgung nicht mehr. Grössere Supermärkte entstanden und ersetzten die kleinen Dorfläden. Heute sind die Tante-Emma-Läden noch als vereinzelte Nachbarschafts-Läden zu finden.

Das Geschäft war eine Art Treffpunkt: «Am Abend hatten wir jeweils bis 22 Uhr Leute, man hat geredet und zusammen gesessen.»

Wenn Firmenvertreter mit ihren Produkten vorbeikamen, war das ein besonderes Highlight: «Wir Kinder durften jeweils Schokolade-Neuheiten und deren Geschmack testen», erinnert sich ein Hörer.

Dani Fohrler und Elisabeth Dubach-Bühler
Legende: Dani Fohrler und Elisabeth Dubach-Bühler Sowohl SRF 1-Moderator als auch Elisabeth Dubach-Bühler sind in einem Tante Emma Laden gross geworden. srf

Heimlieferungen anno dazumal: Vom Milchmann und Co.

Einen Heimservice, den gab es lange vor der Zeit des Internets: Wer Waren verkaufte, zog von Haus zu Haus. So auch der Milchmann.

Ganz am Anfang kamen die Milchmänner sogar noch mit Pferd.
Autor: Beatrice Isler SRF 1-Hörerin

Abends legte man einen Zettel und Geld in den Milchkasten, morgens lagen Butter, Eier und Milch darin. «Ganz am Anfang kamen die Milchmänner sogar noch mit Pferd», erinnert sich die SRF 1-Hörerin Beatrice Isler.

Auch ein Messerschleifer, eine Hagebuttenmost-Verkäuferin oder Beeren-Produzenten kamen regelmässig vorbei. Aber besonders in Erinnerung geblieben ist ihr ein Gemüsebauer aus dem Elsass.

«Er hat jeden Samstag sein Gemüse verkauft und mir den neusten Witz erzählt», erinnert sie sich. «Manchmal habe ich einfach das günstigste Gemüse gekauft, weil ich aufs Geld achten musste.»

Als die «Märkli» bestimmten, was auf den Tisch kam

Für fast zehn Jahre gab es in der Schweiz kein Fleisch oder Brot ohne «Märkli»: Zwischen 1939 und 1948 wurden die Lebensmittel wegen des Krieges rationiert. Eine Zeit, die für viele hart war.

Als Kind haben wir keine Süssigkeiten mehr gekriegt, weil meine Mutter die Märkli immer gegen Brot eingetauscht hat.
Autor: Ruth Meier SRF 1-Hörerin

Mal reichte die Milch nicht, mal die Butter. Ruth Meier wuchs zu dieser Zeit in der Stadt Zürich auf und erinnert sich: «Als Kind haben wir keine Süssigkeiten mehr gekriegt, weil meine Mutter die Märkli immer gegen Brot eingetauscht hat.»

Kurt Brugger aus Zürich hatte während des Krieges zwar einen Rucksack voller Fleisch und Würste, jedoch aus anderen Gründen. Die Eltern des damals achtjährigen Schülers führten eine Metzgerei an der Langstrasse.

Vor und nach der Schule half Kurt im Familienbetrieb und lieferte Fleisch und Würste auf seinem alten Fahrrad aus – natürlich immer gegen die besonders raren «Fleisch-Märkli». Die Zeiten waren für die Metzgerfamilie hart: «Besonders, wenn vom Bund fleischlose Wochen verordnet wurden, litten wir: Da kam kein Geld mehr rein.»

Kataloge, Warenhäuser und Shoppingcenter

Ein besonderes Highlight früher war der Schuhkauf. Früher gab es in den Geschäften nämlich eine Art Röntgengerät, damit der Schuh auch wie angegossen passte.

Man sah, wie sich die Fussknochen bewegten.
Autor: Annelies Stähli SRF 1-Hörerin und Zeitzeugin

«Man stellte sich auf einen Tritt und streckte die Füsse mit den Schuhen in den Apparat, dann sah man ein Röntgenbild des Fusses», erinnert sich die SRF 1-Hörerin Annelies Stähli aus Basel. «Man sah, wie sich die Fussknochen bewegten.» Erst später gaben die Geschäfte den Apparaten auf, wegen der schädlichen Röntgenstrahlen.

Und Beatrice Jost aus Interlaken erinnert sich, wie ihre Eltern jeweils Kleider aus dem Katalog bestellten. «Ich sah die Kataloge immer durch und überlegte mir, was ich gerne hätte. Aber natürlich habe ich nie etwas davon bekommen.» Erst als das erste Geschäft in der Nähe eröffnete, gab es ein hellblaues Plissékleid.

Radio SRF 1, 25.04.2024, 10 Uhr «Treffpunkt» ; 

Meistgelesene Artikel