«The Life of a Showgirl» endet mit einer Verabschiedung wie an einem Konzert: «Thank you for an unforgettable night», ruft Taylor Swift in die imaginäre, jubelnde Menge – aber so unvergesslich ist das 12. Studioalbum der Popkönigin mit der scheinbar unerschütterlichen Regentschaft gar nicht.
Die Erwartungen waren aber auch fast unerfüllbar hoch. Erst vor anderthalb Jahren erschien das aufgeblasene, unfokussierte 31-Songs-Monster «The Tortured Poets Department», das den Wunsch nach einer musikalischen Antithese nach sich zog.
Im Dezember schloss die US-Amerikanerin mit ihrer «Eras Tour» dann die finanziell erfolgreichste Tour aller Zeiten ab. Während dieser arbeitete sie in Schweden an der neuen Platte – vor allem im Sommer 2024, also in der Zeit, in der sie auch zwei ausverkaufte Shows im Zürcher Letzigrund spielte.
Pop ohne Pomp
An den Texten und Studioreglern sassen diesmal neben der 35-Jährigen die beiden Pop-Vergolder Max Martin und Shellback, die schon «We Are Never Ever Getting Back Together», «Shake It Off» und «I Knew You Were Trouble» zu gigantischen Hits machten.
Von solchen Ohrwürmern für die Ewigkeit fehlt auf «The Life of a Showgirl» aber jede Spur, statt Vollgas-Bangers liefert Taylor grösstenteils bekömmliche, softe Pop-Rock-Nummern, für deren Refrains sie die Handbremse nie loslässt. Schlecht sind die Stücke nicht – aber eben auch nicht das, was erwartet wurde: bei diesem Albumtitel, bei diesen Co-Songschreibern und -Produzenten, bei der mit nur zwölf Liedern wunderbar kompakten Tracklist.
Luft für Lyrics
Es ist jedoch nicht fair, ein Werk voreingenommen zu bewerten. Und Taylor Swift muss auch zugutegehalten werden, dass sie es schafft, nach zwei Jahrzehnten Karriere und trotz Milliarden auf sich gerichteter Augen- und Ohrenpaaren noch Erwartungen zu untergraben. Aber was bleibt denn, wenn diese ausgeblendet werden?
Platz fürs wie gewohnt clevere, abwechslungsreiche Songwriting, weil die Verpackung niemals lauter raschelt als der Inhalt. Und die Chance, dass sich die Stücke nach und nach entfalten können, statt schnell per Zuckerschock durch die Arterien gejagt zu werden. Dabei kristallisiert sich auch heraus, um wen sich die neuen Lieder drehen – bei Taylors Celebrity-Ex-Freunden und -Fehden stets popcornige Unterhaltung.
Schmachten ohne Schmackes
Nur: Die Musikerin ist schon mehr als zwei Jahre glücklich mit American-Football-Star Travis Kelce liiert, seit Kurzem sind die beiden verlobt. Statt Gossip über ihre Verflossenen gibt’s übers halbe Album um Liebeserklärungen an den Zukünftigen respektive dessen, ähem, Mammutbaum im Song «Wood», wo Taylor Swift gar sehr auf Sabrina Carpenter macht. Darf sie, soll sie, klar – man erwartet es aber nicht von ihr. Wobei wir wieder bei der (falschen?) Erwartungshaltung wären.
Ein paar Taytay-Staples gibt’s dennoch: «Actually Romantic» kann als Antwort auf Charli XCX' angeblichen Diss in deren «Brat»-Track «Sympathy Is a Knife» interpretiert werden, «Father Figure» thematisiert den Streit um die Master-Rechte an ihren früheren Songs und «Ruin the Friendship» handelt von einem verflossenen (und mittlerweile verstorbenen) High-School-Crush. Unvergesslich wird «The Life of a Showgirl» trotzdem nicht.