Es gibt nicht viele Schweizer Bands, die in der internationalen Musikwelt ihre Spuren hinterlassen haben oder sogar als stilprägend gelten. Yello gehört dazu. Die Young Gods. Celtic Frost. Und: Coroner. Auch wenn der Name nicht in allen Ohren klingelt.
Das Zürcher Trio erreichte nie die breiten Massen. Doch Coroner werden gerade von anderen Musikerinnen und Musikern hoch respektiert: als Mitbegründer des rasend harten Thrash Metal, für die musikalische Präzision, die Kreativität und die Dichte, welche lediglich drei Mannen und ihre Instrumente zu erzeugen vermochten.
Schnell, präzis – und kompliziert
Coroners Metal war indes nie simpel: Aggressiv, aber auch vertrackt, mit Takt- und Tempowechseln sowie schwindelerregenden Soli von Tommy Vetterli, der in der Metal-Szene von vielen als veritabler Gitarrengott verehrt wird. In die Doppelpauken-Stakkatos und Bass-Salven mischen sich jazzige und neoklassische Elemente.
Es ging bei Coroner nie nur darum, schnell zu spielen. Da hat es Parts wie von Ravel oder Debussy drin.
Oder wie Stephan Eicher es in der Band-Dokumentation «Rewind» ausdrückt: «Es ging nie nur darum, schnell zu spielen. Da hat es Parts wie von Ravel oder Debussy drin.» Doch diese Komplexität ging einem breiten Publikum zu wenig ans Herz, die Musik wirkte auf manche auch verkopft bis gefühlsarm.
Von Zürich in die Welt
Gegründet werden Coroner in der aufkeimenden Zürcher Metalszene Mitte der Achtzigerjahre, im freundschaftlichen Dunstkreis von Celtic Frost. Deren Sänger Tom G. Warrior singt nicht nur das Demotape ein, sondern vermittelt die Band auch an das Plattenlabel Noise Records.
Die ersten drei Alben «R.I.P.», «Punishment for Decadence» und «No More Color» lassen die internationale Szene aufhorchen. Coroner spielen mehrere USA Tourneen, ihre Songs werden im «Headbangers Ball» auf MTV gespielt.
Schlechtes Timing
Einen Dämpfer fährt die Band 1991 ein: Das Album «Mental Vortex» erscheint exakt gleichzeitig wie Metallicas «The Black Album», das alle Aufmerksamkeit auf sich zieht. Zeitraubender Perfektionismus bei den Aufnahmen zum fünften Album «Grin» führt schliesslich zu einem Zwist mit dem Plattenlabel und innerhalb der Band. 1995 lösen sich Coroner auf.
Anfang der 2010er Jahre wagt sich die Band an eine Reunion, spielt wieder Konzerte in Clubs und an grossen Festivals – zur grossen Freude der immer noch existenten Fangemeinde. 2014 steigt Drummer Marky Edelmann aus und wird durch Diego Rapachietti ersetzt. Gitarrist Tommy Vetterli und Sänger und Bassist Ron Broder jedoch kündigen an, dass sie ein neues Album planen.
Wiedergeburt
Es hat noch einmal zehn Jahre gedauert. Doch jetzt ist «Dissonance Theory» geboren und spielt die Stärken von Coroner in neuem Gewand aus: Treibende Härte trifft auf ausgefeilte Komplexität, überlagert mit sphärischen, düsteren Elementen.
Natürlich sind das Gitarrenriffs, die man schon beinahe mit dem Taschenrecher auseinander dividieren muss, aber das Album ist gleichzeitig ein krasses Gitarrenbrett geworden.
«Es ist schon erstaunlich, wie die drei mittelalten Mannen jetzt nochmals ein Werk geschaffen haben, das wie aus einem Guss klingt», analysiert SRF-Rock-Spezialist Dominic Dillier. «Es ist dunkel, teils schon fast psychedelisch, es ist aber gleichzeitig knallhart.»
Er fügt an: «Natürlich sind das bei Coroner Gitarrenriffs, die man schon beinahe mit dem Taschenrecher auseinander dividieren muss, aber es ist gleichzeitig ein krasses Gitarrenbrett geworden.»
Ein «Alterswerk»? Vielleicht. Altmodisch? Keineswegs.