Eigentlich ging es nur um einen einzigen Satz: «Das Schlachten der Tiere ohne vorherige Betäubung vor dem Blutentzug ist bei jeder Schlachtart und Viehgattung ausnahmslos untersagt.»
Die jüdische Rasse kennt nur zwei Triebe: Christenhass und Goldhunger.
Er sollte in der Bundesverfassung stehen. So lautete das erklärte Ziel der ersten Schweizer Volksinitiative namens «Für ein Verbot des Schlachtens ohne vorherige Betäubung». Man schrieb das Jahr 1893.
Dürrenmatts Grossvater tobt
Tierschützer hatten die Initiative lanciert. Ihnen war bewusst, dass davon auch die jüdische Praxis des Schächtens betroffen war. Sie betonten daher, ihr Anliegen sei nicht antisemitisch.
Vergeblich. Der Abstimmungskampf geriet total antisemitisch. Hassgeladene Voten kamen auch von Ulrich Dürrenmatt, dem Grossvater des Schriftstellers Friedrich. Als Redaktor einer Volkszeitung schrieb er fanatisch gegen da Schächten an.
«Röstigraben» ab Stunde Null
Am 20. August 1893 nahm das Schweizer Stimmvolk die Initiative mit 60 Prozent Ja an. Einigkeit? Nein! Alle Westschweizer Kantone hatten die Vorlage abgelehnt.
Erst 1891 war die Möglichkeit eingeführt worden, mit 50'000 Unterschriften ein Begehren an die Urne zu bringen.
Initiativen-Flut in neuerer Zeit
In der Schweiz wurden laut Bundeskanzlei seither über 540 Volksinitiativen lanciert. Auffällig: bis 1980 waren es nur 81, seither hingegen mehr als 450.
Nachdem fast ein Jahrhundert lang im Schnitt nur knapp eine Initiative pro Jahr eingereicht wurde, haben die Parteien die Volksinitiative als politisches Instrument entdeckt.
Weltweit einzigartiges Prinzip
Die Schweizer Volksinitiative ist weltweit einzigartig, weil sie das Volk befähigt, die Bundesverfassung direkt zu ändern.
Diese direkte Form der Demokratie hat auch zur Folge, dass die Bevölkerung der Schweiz im internationalen Vergleich überdurchschnittlich zufrieden ist mit ihrer Staatsform.
Ein Ja ist eine Seltenheit
Zu euphorisch sollte der Blick auf die Macht des Schweizer Volks aber nicht ausfallen. In den letzten zehn Jahren wurden nämlich nur noch gerade zwei Volksinitiativen angenommen.
In den zehn Jahren zuvor hatten immerhin noch fünf Anliegen an der Urne den Sieg davon getragen. Historisch gesehen ist die Erfolgsquote von Volksinitiativen mit knapp über 10 Prozent eh bescheiden.
Nein heisst nicht «für d Chatz»
Wirkungsmächtig können Volksbegehren aber auch dann sein, wenn sie abgelehnt werden. Die Schwarzenbach-Initiative von 1970 «gegen die Überfremdung» wurde zwar abgelehnt, beeinflusste den Diskurs in der Ausländerpolitik für die folgenden Jahrzehnte aber massgeblich.
Die Initiative für eine Schweiz ohne Armee scheiterte 1989 an der Urne, gilt aber als Auslöser für eine umfassende Reform des Schweizer Militärs.
Dass umgekehrt ein «Ja» an der Urne nicht zwingend ein befriedigender Sieg ist, wurde spätestens 2014 ersichtlich. Die Masseneinwanderungs-Initiative erwies sich in der politischen Umsetzung als sehr schwierig, was zu einer der Vorlage nicht ganz entsprechenden «Light»-Variante führte.