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Psilocybin als Heilmittel Die Rückkehr der Zauberpilze

Auf den ersten Blick sieht er harmlos aus: ein kleiner, brauner Pilz, kaum grösser als ein Daumennagel. Doch wer ihn konsumiert, kann in eine andere Realität kippen. Der Wirkstoff Psilocybin verändert die Wahrnehmung. Was lange als gefährliche Droge galt, wird heute von Forschenden neu bewertet.

In der Schweiz wachsen mehr als 20 Arten «Zauberpilze». Der bekannteste ist der Spitzkegelige Kahlkopf. Jahrzehntelang war Psilocybin verpönt und durchgehend kriminalisiert. Seit einigen Jahren rückt es wieder ins Licht der Forschung. Studien zeigen, dass der Stoff bei Depressionen, Traumata oder Angststörungen helfen kann, dort, wo herkömmliche Medikamente nicht oder nicht genügend wirken. 

Psychedelika wirken anders als Antidepressiva. Sie können einen Prozess anstossen, den man dann therapeutisch bearbeiten kann.
Autor: Dr. Helena Aicher Psychotherapeutin und Forscherin

«Psychedelika wirken anders als Antidepressiva. Sie können einen Prozess anstossen, den man dann therapeutisch bearbeiten kann», sagt Dr. Helena Aicher, Psychotherapeutin und Forscherin in Zürich. Sie arbeitet mit Patientinnen und Patienten, die eine Ausnahmebewilligung des Bundesamts für Gesundheit erhalten haben.

Der Konsum von Psilocybin ist jedoch nicht ohne Risiken. Laut der Suchtprävention des Kantons Zürich führt der Wirkstoff zwar nicht zu körperlicher und nur selten zu psychischer Abhängigkeit. Dennoch wird aus gesundheitlichen Gründen vom Konsum abgeraten: Besonders Menschen, in deren Familien psychische Erkrankungen vorkommen, sollten auf Halluzinogene verzichten, da diese in solchen Fällen Psychosen auslösen können.

Psilocybin-gestützte Therapie in der Schweiz 

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Seit 2021 erlaubt das BAG Psilocybin-gestützte Therapien in Ausnahmefällen. Die Zahlen steigen rasant: 2021 wurden 43 Bewilligungen für Psilocybin ausgestellt, 2024 bereits 322. Rund hundert Ärztinnen und Ärzte sind inzwischen offiziell für solche Therapien zugelassen.

Ein Weg zur Selbstheilung? 

Einer, der sich ohne BAG-Ausnahmebewilligung therapiert, ist der pensionierte Christoph. Er trägt eine Wunde in sich, die nie verheilt ist: Als Kind wurde er beschnitten. Ein Eingriff, der in seinem Körper und in seiner Psyche tiefe Spuren hinterlassen hat. Um sich selbst zu heilen, besucht er in den Niederlanden psychedelische Retreats. Diese sind erlaubt, da dort Zaubertrüffel legal sind.

Christoph mit seinem Sohn Till
Legende: Till tauscht sich mit seinem Vater Christoph über psychedelische Retreats aus. SRF

SRF Impact hat ihn und seine zwei Kinder, die ihn auf die Idee der Psilocybin-Therapie gebracht haben, nach dem letzten Retreatbesuch getroffen. «Ich hatte eine sehr eindrückliche und tiefgreifende Erfahrung.» Dass es ihm jetzt besser geht – das verneint Christoph: «Ich würde sagen, es geht mir bewegter.» 

Erst durch die psychedelischen Substanzen konnte ich eine wirkliche Verbesserung meines Gemütszustandes erreichen.
Autor: Christoph besucht psychedelische Retreats in den Niederlanden

Seit Jahrzehnten versucht Christoph, sein Trauma zu verarbeiten. Früher auch mit Psychotherapie. Erst vor vier Jahren fand er mit den Psilocybin-Retreats einen Weg, dem Trauma zu begegnen und es Stück für Stück aufzuarbeiten. «Ich verdanke mein Leben der sehr guten Psychotherapie. Aber erst durch die psychedelischen Substanzen konnte ich eine wirkliche Verbesserung meines Gemütszustandes erreichen.» 

Zauberpilzli auf Schweizer Wiesen 

Ganz anders Marco (Name geändert), ein 29-jähriger Pilzsammler. Er zieht mit Rucksack über die Wiesen und sucht Zauberpilze. Wo er sie sucht, möchte er für sich behalten: «Sonst kriege ich Konkurrenz. Und den anderen Pilzlern gegenüber wäre das auch nicht so cool.» 

Wenn ich mir bei einem Pilz nicht ganz sicher bin, nehme ich ihn nicht mit.
Autor: Marco sammelt und konsumiert Zauberpilze

Für ihn stellt der Pilz keine Heilung dar, sondern Spass. «Manchmal ist der Konsum auch einfach lustig», sagt Marco gegenüber SRF Impact.

Trotzdem sei er ein verantwortungsvoller Konsument, denn es sei ihm bewusst, dass die Gefahr besteht, einen giftigen Pilz zu erwischen. Er habe sich lange mit Pilzen beschäftigt, sodass er ein gutes Auge entwickelt habe: «Wenn ich mir bei einem Pilz nicht ganz sicher bin, nehme ich ihn nicht mit.» 

Der verbotene Stoff 

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Psilocybin gilt als illegales Betäubungsmittel. Wer Zauberpilze herstellt, mit ihnen handelt oder sie verkauft, begeht eine Straftat, die mit hohen Geld- oder Gefängnisstrafen bestraft werden kann. 

Das Sammeln in der Natur ist rechtlich heikel: Das Betäubungsmittelgesetz nennt das Sammeln zwar nicht ausdrücklich. Doch wer Zauberpilze sammelt, besitzt sie – und der Besitz sowie der Konsum sind strafbar. 

Psilocybin bewegt sich weiterhin zwischen medizinischem Fortschritt und rechtlichen Grenzen. Klar ist: Das Interesse an seiner Wirkung wächst, und mit ihm die Diskussion über Chancen und Risiken.

«SRF Impact Reportage»

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Sie sehen das Logo von SRF Impact Reportage.
Legende: SRF

So kompliziert und vielschichtig unsere Welt auch ist, wir wollen sie verstehen. Dafür gehen wir auf die Suche nach Antworten. In Reportagen tauchen wir ein in unsere Schweizer Gesellschaft und nehmen dich mit: Gib dir Deep Talk, Zweifel und Lichtblicke mit unseren Hosts Amila Redzic und Livio Carlin.

Alle Folgen «SRF Impact Reportage» sind auf Play SRF.

Radio SRF Virus, 20.11.2025, 06:00 Uhr

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