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Fluggastrechte Trotz Umweg und grosser Verspätung: Swiss lehnt Entschädigung ab

Wegen einer Flugannullierung kommt eine junge Familie elf Stunden zu spät in Lissabon an. Entschädigung? Fehlanzeige!

Das hat die Familie erlebt: Eine junge, vierköpfige Familie aus dem Berner Oberland bucht im September einen Direktflug von Zürich nach Lissabon. Der Flieger rollt los, kehrt aber wieder zurück ans Gate. «Aus dem Cockpit kam die Durchsage, ein Triebwerk funktioniere nicht», erzählt der Vater im SRF-Konsumentenmagazin «Espresso». Der Flug wird annulliert. Die Familie wird auf einen Flug via Amsterdam nach Lissabon umgebucht. Doch auch der hebt ohne die Berner Familie ab. Die Zeit reicht nicht für den Transfer. Schliesslich schaffen sie es doch noch nach Lissabon. Via Frankfurt. Sie landen mit elf Stunden Verspätung.

Das fordert der Vater: Er weiss, dass bei grossen Verspätungen ab drei Stunden die EU-Fluggastrechte-Verordnung ins Spiel kommt. Sie gilt auch in der Schweiz. Der Vater ist der Meinung, dass er unter diesen Umständen eine Entschädigung zugute hätte. Knapp 400 Franken pro Person, denn es geht um eine Flugdistanz von mehr als 1500 Kilometern.

Ein normaler, technischer Defekt, wie er im Alltag leider regelmässig vorkommt, ist kein legitimer Grund, um sich von einer Entschädigungszahlung zu befreien.
Autor: Simon Sommer Fluggastrechtsexperte, Cancelled.ch

So reagiert die Swiss: Die Swiss bittet die Familie um Entschuldigung für die Unannehmlichkeiten, lehnt den Antrag aber ab. Die Begründung: «Für Swiss hat Sicherheit die höchste Priorität. Wir erachten die oben geschilderte Flugunregelmässigkeit als notwendig und die Unregelmässigkeit als aussergewöhnlichen Umstand. Dieser hätte sich auch dann nicht vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Massnahmen ergriffen worden wären.» Die Swiss zahlt den Kunden lediglich rund 100 Franken für die Auslagen, «welche in direktem Zusammenhang mit einer Flugannullierung stehen.» Zum Beispiel die Verpflegungskosten während der Wartezeit am Flughafen in Zürich.

So urteilt der Flugastrechtsexperte: Seit Jahren setzt sich der Jurist Simon Sommer mit seinem Portal Cancelled.ch für die Rechte der Fluggäste ein. Für ihn ist dies ein eindeutiger Fall: Die Familie hätte eine Entschädigung von je 400 Euro (umgerechnet knapp 400 Franken) pro Person zugute, sagt er. «Ein normaler, technischer Defekt, wie er im Alltag leider regelmässig vorkommt, ist kein legitimer Grund, um sich von einer Entschädigungszahlung zu befreien.»

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Das wären für den Juristen legitime Gründe: Der Jurist stützt sich dabei auf die europäische Rechtsprechung zu diesem Thema. Legitime Gründe für eine Ablehnung seien demnach etwa Vogelschlag, Hagel oder Sabotage. In so einem Fall müsste die Swiss keine Entschädigung bezahlen, aber den Kunden den Grund mitteilen (Beweislastumkehr). Das sei hier nicht passiert. «Niemand macht der Swiss einen Vorwurf, dass sie diesen Flug annullieren musste», sagt Sommer. «Aber sie müsste jetzt auch die Konsequenzen tragen.»

Das sagt die Swiss gegenüber SRF: Die Airline entschuldigt sich erneut für die Umstände, bleibt in der Sache aber hart. Sie orientiert sich dabei eng an der EU-Verordnung: «Demnach liegt ein aussergewöhnlicher Umstand dann vor, wenn er sich auch dann nicht hätte vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Massnahmen ergriffen worden wären», schreibt die Medienstelle. Im vorliegenden Fall habe eine Steuereinheit des Triebwerks ausgetauscht werden müssen. Zu den Argumenten des Juristen schreibt Swiss: Diese würden sich auf europäische Rechtsprechung stützen. Die Schweiz sei kein EU-Mitglied und im Luftverkehrsabkommen mit der EU sei keine automatische Übernahme der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vorgesehen. Es bräuchte weiterhin ein Schweizer Leiturteil.

Espresso, 14.11.2025, 08:10 Uhr

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