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Potenzielle Schuldenfalle Witwer muss Krankenkassen-Rechnungen seiner Frau zahlen

Nach dem Tod seiner Frau schlägt der Ehemann das Erbe aus, um ihre Schulden nicht zu erben. Das klappt nicht.

Erben können eine Erbschaft ausschlagen. Das ergibt Sinn, wenn jemand Schulden hinterlässt.

Offene Rechnungen müssen dann nicht bezahlt werden. Im Normalfall. Es gilt eine Frist: Innerhalb von drei Monaten müssen die Erben die Ausschlagung bei der zuständigen Behörde erklären. Ansonsten gilt die Erbschaft als angenommen.

Helsana beharrt auf 8000-Franken-Forderung

Ein 55-jähriger Mann aus dem Kanton Bern hat das Erbe fristgerecht ausgeschlagen, um nach dem Tod seiner Frau nicht in die Schuldenfalle zu geraten. Da trifft ein Brief ihrer Krankenkasse ein. Die Helsana weist ihn auf offene Prämienzahlungen und Kostenbeteiligungen von rund 8000 Franken hin. «Ich habe Helsana darauf per Brief eine Kopie der Erbausschlagung geschickt», erzählt der Mann «Espresso».

Solidarhaftung auch bei den Steuern

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«Ehepaare haften grundsätzlich auch solidarisch für die Steuerrechnungen», sagt Nora Goll von der Berner Schuldenberatung. Doch zumindest im Kanton Bern sei es so, dass es nach dem Tod eines Ehegatten eine Steuerausscheidung gebe. «Und die hinterbliebene Person haftet nur noch für ihren Anteil.»

Doch Helsana beharrt auf ihrer Forderung. Der Mann bleibt bei seiner Weigerung, die Rechnung zu zahlen. Schliesslich habe er das Erbe ausgeschlagen. Er sieht sich im Recht und stützt sich dabei unter anderem auch auf einen SRF-Beitrag, der ihn darin bestätigt. Eines Tages betreibt ihn die Krankenkasse. Der Mann macht Rechtsvorschlag. Nun ist er unsicher, ob er nicht doch in die Bredouille kommen könnte. «Ich bin überfordert mit dieser Situation.»

Ehepaare haften bei der Grundversicherung solidarisch

SRF hakt bei der Krankenkasse nach. Diese schreibt: Die Forderung beruhe nicht auf dem Erbrecht, sondern auf der Solidarhaftung (gemäss Art. 163 und 166 ZGB): «Ehepartner haften solidarisch für die Grundbedürfnisse eines Haushalts – dazu zählt auch die Krankenversicherung, sofern ein gemeinsamer Haushalt bestand.»

Mehrere Gerichtsentscheide bekräftigen das: Die obligatorische Grundversicherung fällt unter die Grundbedürfnisse. Deshalb verfallen diese Rechnungen auch nach dem Tod des Partners oder der Partnerin nicht. Diese Solidarhaftung gelte für die Grundversicherung, nicht für Zusatzversicherungen, schreibt die Helsana.

«Espresso» ist an Ihrer Meinung interessiert

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«Wir bedauern diesen Fall und können nachvollziehen, dass dies zu einer belastenden Situation führen kann», erklärt Helsana-Mediensprecher Urs Kilchenmann. Aber eine Krankenkasse sei von Gesetzes wegen verpflichtet, offene Prämien konsequent einzufordern. Man biete in solchen Fällen aber Hand für eine gute Lösung.

Und nicht nur die Helsana handhabt dies so. Im Allgemeinen setzen die Krankenkassen KVG-Forderungen auch bei einer Erbausschlagung konsequent durch, heisst es beim Verband Prio.Swiss.

Das sagen Rechtsexperten

Der Sozialversicherungsexperte Kaspar Gehring betrachtet die Argumentation der Krankenkassen als korrekt: «Damit wollte der Gesetzgeber sicherstellen, dass es nicht zu Prämienausfällen kommt. Man erachtet es als wichtig, dass die Krankenkassen gut ausfinanziert sind.»

Nora Goll, Juristin der Berner Schuldenberatung, sieht hier aber eine potenzielle Schuldenfalle: Geerbte Krankenkassenschulden könnten Betroffene unter Umständen in eine Schuldenspirale treiben. Sie empfiehlt in solchen Fällen, unbedingt eine seriöse Schuldenberatung aufzusuchen.

Kaspar Gehring erwähnt noch die Möglichkeit, sich bei der Ausgleichskasse zu melden und dort zu prüfen, ob bei der verstorbenen Person allenfalls der Anspruch auf eine Prämienverbilligung bestanden hätte. Wenn dies vergessen gegangen sei, könne man dies zeitnah noch anmelden.

Espresso, 08.10.25, 8:10 Uhr

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