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Sehbehinderte sind auf perforierte QR-Rechnungen angewiesen
Aus Espresso vom 08.05.2023. Bild: Keystone/Laurent Gillieron
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Sehbehinderte benachteiligt Unternehmen missachten Vorschrift für Papier-QR-Rechnungen

QR-Rechnungen auf Papier müssen perforiert sein. Sind sie aber häufig nicht. Für Sehbehinderte ist das ein Problem.

Sehende Menschen erkennen sofort, wenn eine Rechnung ins Haus flattert. Für Menschen mit einer Sehbehinderung ist das weitaus schwieriger. Ihnen hilft es, wenn die Rechnung perforiert ist, so wie es eigentlich vorgeschrieben wäre. In den entsprechenden Richtlinien heisst es: «Ist der Zahlteil mit Empfangsschein in einer QR-Rechnung in Papierform integriert, ist eine Perforation zwischen den Angaben zur Rechnung und des Zahlteils mit Empfangsschein obligatorisch.»

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Regelverstoss bei QR-Rechnungen: «Fadenscheinige Ausrede»
aus Espresso vom 12.05.2023. Bild: Keystone / Christian Beutler
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Bezahlen dauert deutlich länger

Die Vorgaben sind unmissverständlich. Und dennoch gibt es zahlreiche Unternehmen, die sich nicht daran halten. Für Daniela Moser vom Schweizerischen Blinden- und Sehbehindertenverband (SBV) ist das ein Problem: «Bei einer perforierten Rechnung erkenne ich sofort, dass es sich um eine Rechnung handelt.» Ohne Perforation sei es einfach ein Blatt Papier. Der SBV erhalte regelmässig entsprechende Meldungen von Betroffenen.

Die Perforation macht es Menschen mit einer Sehbeeinträchtigung auch einfacher, die Rechnung zu bezahlen.
Autor: Daniela Moser Schweizerischer Blinden- und Sehbehindertenverband (SBV)

Dabei steht nicht nur das Erkennen einer Rechnung im Fokus: «Die Perforation macht es Menschen mit einer Sehbeeinträchtigung auch einfacher, die Rechnung zu bezahlen – sie hilft nämlich, zum Beispiel das Smartphone richtig zu positionieren, um die Rechnung einzuscannen.» Natürlich könne sie eine solche Rechnung auch ohne Perforation bezahlen, sagt Daniela Moser. Sie brauche einfach viel länger: «Insofern schränkt es mich in meiner Selbständigkeit ein.»

KMU-Verband: «Aufwand zu gross»

Auf das Problem angesprochen, zeigt man beim Schweizerischen KMU-Verband zwar Verständnis, gibt aber zu bedenken, dass der Aufwand für Rechnungen auf perforiertem Papier hoch sei und entsprechende Infrastruktur voraussetze: «Ich kann doch nicht von einem Kleinstunternehmen verlangen, dass es sich für ein paar tausend Franken einen Drucker mit der nötigen Ausstattung anschafft», sagt Präsident Roland Rupp. «Wenn die keinen einzigen Kunden mit Sehbeeinträchtigung haben, kann man sich schon fragen, ob das sein muss.»

Auch nicht alle «Grossen» perforieren Papierrechnungen

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Nicht nur KMU halten sich nicht an die Vorgaben zur Perforation von QR-Rechnungen auf Papier. Es gibt auch grosse Unternehmen, die auf perforiertes Papier verzichten. Als prominentes Beispiel nennt der Schweizerische Blinden- und Sehbehindertenverband die Firma Serafe, die im Auftrag des Bundes die Radio- und Fernsehgebühren einzieht. Serafe bestätigt das auf Anfrage. Anstelle der Perforation werde ein Scherensymbol mitgedruckt zusammen mit Hilfslinien. Das Unternehmen sagt, das sei «nicht nur hauptsächlich vor dem Hintergrund einer fortschreitenden Digitalisierung zu betrachten», sondern bedeute vor allem «keine Restriktion für die reibungslose Verarbeitung der Dokumente». Seit der Umstellung auf die QR-Rechnung im Juni 2022 habe Serafe 4.4 Millionen solcher Rechnungen verschickt: «Bisher sind nur vereinzelte Rückfragen von Kundinnen und Kunden in diesem Zusammenhang eingegangen.»

Rupp empfiehlt, dass sich Betroffene direkt bei den Unternehmen melden, wenn sie Probleme mit nicht perforierten Rechnungen haben: «Da ist sicher jedes KMU bereit, Hand für Lösungen zu bieten.» Aber allen KMU vorzuschreiben, dass sie Papierrechnungen perforieren müssen, halte er für falsch.

SBV verlangt Perforation

Daniela Moser vom Blinden- und Sehbehinderten-Verband ist von «individuellen Lösungen» nicht überzeugt. «Natürlich kann man solche Lösungen suchen. Grundsätzlich verlangen wir aber, dass Rechnungen auf Papier perforiert sind.» Es gebe 400'000 Menschen mit einer Sehbeeinträchtigung in der Schweiz. Da seien die Chancen hoch, dass ein Unternehmen mit einer solchen Person in Kontakt komme.

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Der SBV stützt seine Forderung auf die Bundesverfassung und das Behindertengleichstellungsgesetz, wonach rechtliche oder tatsächliche Benachteiligungen für Menschen mit einer Behinderung zu beseitigen sind. «Die gesetzlichen Grundlagen sind da – und entsprechend auch das Anrecht, dass Menschen mit einer Sehbeeinträchtigung ihren Alltag autonom bestreiten können.»

Espresso, 08.05.23, 08:13 Uhr

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