Zum Inhalt springen

Umstrittene Entscheide Patienten empfinden Vertrauensärzte als Blackbox

Vertrauensärzte werden wegen ihrer Empfehlungen oft kritisiert. Der Vertrauensärzte-Verband wehrt sich.

Immer wieder erreichen das SRF-Konsumentenmagazin «Espresso» Mails von verzweifelten Patientinnen und Patienten: «Der Vertrauensarzt meiner Krankenkasse hat einen Reha-Aufenthalt nach einer Wirbelsäulenoperation abgelehnt.» Oder: «Die Krankenkasse will aufgrund einer Empfehlung des Vertrauensarztes die Medikamente nicht übernehmen.»

Vertrauensärzte als Blackbox

Auch Susanne Gedamke, Geschäftsführerin der Patientenorganisation SPO, kennt solche Fälle: «Wir stellen fest, dass sich die Entscheide der Vertrauensärzte zwischen den einzelnen Kassen stark unterscheiden. Das ist problematisch, denn die Patientinnen und Patienten wissen nicht aufgrund welcher Kriterien die Vertrauensärzte entscheiden.» Damit würden die Vertrauensärzte zu einer Art Blackbox.

Das lange Verfahren kann gesundheitliche Schäden zur Folge haben oder im schlimmsten Fall sogar den Tod bedeuten.
Autor: Susanne Gedamke Geschäftsführerin der Patientenorganisation SPO

Weiter kritisiert Gedamke, dass für die Patienten bei einem ablehnenden Entscheid nur der Weg vor Gericht bleibe. «Das kostet viel Zeit und Geld. Das lange Verfahren kann gesundheitliche Schäden zur Folge haben oder im schlimmsten Fall sogar den Tod bedeuten.» Die Fernsehsendung «Kassensturz» hatte im Jahr 2021 über einen 82-jährigen Krebspatienten berichtet, dem die Krankenkasse die teuren Krebsmedikamente nicht zahlen wollte. Als das Bundesgericht entschied, dass die Kasse zahlen müsse, war der Patient schon gestorben.

Behandlung muss einen Nutzen haben

Die Vorwürfe, dass Vertrauensärzte von den Patientinnen und Patienten als eine Art Blackbox wahrgenommen werden, kennt auch Ursula Schafroth. Sie ist Präsidentin der schweizerischen Gesellschaft für Vertrauen- und Versicherungsärzte und arbeitet selbst als Vertrauensärztin bei drei Krankenkassen.

Der Vertrauensarzt hat den Auftrag, abzuklären, ob es für die Behandlung einen Tarif gibt und ob diese Behandlung für den Patienten auch einen Nutzen hat.
Autor: Ursula Schafroth Schweizerische Gesellschaft für Vertrauen- und Versicherungsärzte

Sie betont, dass der Vertrauensarzt nicht entscheide, sondern der Krankenkassen nur Empfehlungen abgebe: «Der Vertrauensarzt ist keine Blackbox. Er hat den Auftrag, abzuklären, ob es für die Behandlung einen Tarif gibt und ob diese Behandlung für den Patienten auch einen Nutzen hat.» In der Grundversicherung gebe es klare Vorschriften, was bezahlt werde und was nicht. Nicht alle Therapien, die es gäbe, seien im Einzelfall auch wirksam und zweckmässig.

«Espresso» ist an Ihrer Meinung interessiert

Box aufklappen Box zuklappen

Und trotzdem bleibt für Betroffene ein ungutes Gefühl, weil die Vertrauensärzte von den Krankenkassen bezahlt werden. Denn wie heisst es so schön: Wer zahlt, befiehlt. Gegen diesen Vorwurf wehrt sich Ursula Schafroth vehement: «Vertrauensärzte sind Fachexperten, die die Krankenkasse unabhängig beraten.» Ob eine Behandlung teuer sei oder nicht, habe auf die Empfehlung des Vertrauensarztes keinen Einfluss. Es gehe nur darum, ob eine Behandlung wirksam und zweckmässig sei.

Zudem gälten für Vertrauensärzte hohe Hürden in Sachen Ausbildung: «Neben einem anerkannten Facharzt-Diplom braucht ein Vertrauensarzt fünf Jahre Erfahrung in einer Arztpraxis oder als leitender Arzt in einem Spital.» Zusätzlich müsse man eine Weiterbildung als Vertrauensarzt absolvieren.

produzentinnen.app@srf.ch,appmacher@srf.ch,homepage.produzenten@srf.ch

Meistgelesene Artikel