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Umstrittene Lebensmittel-Ampel Die Migros serviert den Nutri-Score ab – andere bauen ihn aus

Als erste Schweizer Grossverteilerin verabschiedet sich die Migros vom Nutri-Score auf ihren eigenen Produkten.

Was ist der Nutri-Score? Die farbige Buchstaben-Skala auf der Verpackung will Konsumentinnen und Konsumenten eine Orientierungshilfe beim Einkaufen geben. Sie reicht vom grünen A bis zum roten E. Grün bedeutet gesünder und ausgewogener als gelb, orange oder rot. Wichtig: Der Nutri-Score vergleicht Produkte innerhalb einer Lebensmittel-Gruppe. Getränke, zum Beispiel, Backwaren oder Tiefkühlpizzen. Ein Softdrink lässt sich also nicht mit einer Pizza vergleichen.

Wie wird die Bewertung ermittelt? Das freiwillige Label wurde von unabhängigen Forschern entwickelt und zuerst in Frankreich eingeführt. Das System stellt die positiven Zutaten (Gemüse, Früchte, Nüsse, Ballaststoffe) den potenziell problematischen gegenüber. Zucker, zum Beispiel, Salz oder gesättigte Fettsäuren. Der Nutri-Score findet sich unterdessen auf mehreren Tausend Produkten.

«Espresso» ist an Ihrer Meinung interessiert

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Weshalb will die Migros nichts mehr vom Nutri-Score wissen? Die Migros zieht drei Jahre nach der Einführung eine negative Bilanz. «Die Erfahrungen haben gezeigt, dass der Nutzen zu gering ist im Verhältnis zu den Kosten», sagt Migros-Mediensprecherin Carmen Hefti im SRF-Konsumentenmagazin «Espresso». Konkret sei es mit einem hohen Aufwand verbunden, den Nutri-Score in die Palette der Eigenmarken zu integrieren. Umgekehrt habe das Label bei der Kundschaft immer wieder für Fragen und Verunsicherung gesorgt.

Welche Alternative bietet die Migros an? Anstelle des Nutri-Scores will die Migros verstärkt auf die Nährwert-Angabe pro Portion setzen. Dazu soll die tägliche Referenzmenge online und auf der Verpackung publiziert werden.

Wie fallen die Reaktionen auf den Entscheid der Migros aus? Der Bund setzt sich für den Nutri-Score ein. Federführend ist das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV). Dort bedauert man den Entscheid der Migros: «Das ist eine schlechte Nachricht für die Konsumentinnen und Konsumenten. Denn der Nutzen des Nutri-Scores steigt, je mehr Produkte vergleichbar sind. Und nun fällt eine grosse Produktpalette weg», sagt BLV-Sprecherin Sarah Camenisch.

Umstrittenes Label

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Der Nutri-Score ist seit seiner Einführung umstritten. Er sorgt in ganz Europa immer wieder auch für politische Diskussionen. Für die einen ist das Label eine zu starke Vereinfachung, für die anderen eine sinnvolle Information. In der EU steht unter anderem die obligatorische Einführung des Nutri-Scores zur Diskussion.

Kritik kommt auch von der Stiftung für Konsumentenschutz (SKS). Deren Geschäftsleiterin Sara Stalder findet, die Migros sei zu früh wieder ausgestiegen: «Es hätte einen längeren Schnauf gebraucht, um das durchzuziehen. Wichtig wäre es gewesen, das Label auf alle Lebensmittel aufzudrucken. Dann hätten es die Leute auch richtig nutzen können.»

Wie gehen andere Detailhändler mit dem Nutri-Score um? Unterschiedlich. Die einen sind begeistert, andere kritisch. Lidl und Aldi Suisse zum Beispiel wollen auch weiterhin auf den Nutri-Score setzen. Lidl will die Zahl der eigenen Produkte mit dem Label sukzessive weiter erhöhen. Man sieht es dort als «eine simple und schnelle Orientierung, um bewusste Entscheidungen für eine gesunde Ernährung treffen zu können», wie Lidl auf Anfrage von «Espresso» schreibt. Coop hingegen verzichtet bei den Eigenmarken auf den Nutri-Score. Weder dieses noch sonst ein Bewertungssystem berücksichtige aus gesundheitlicher Sicht alle wichtigen Aspekte eines Lebensmittels. Coop setzt deshalb auf das sogenannte «Foodprofil» – die Nährwerttabelle auf der Rückseite der Verpackung.

Espresso, 22.05.24, 08:10 Uhr

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