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Elektro-Muskelstimulation Kritik an Fitnesscenter: Teure Abos und wenig kundenfreundlich

EMS-Sportwelt verkauft mehrmonatige Abos. Wenn Kunden ungenutzte Lektionen nachholen wollen, ist das Studio wenig kulant.

Zwei Jahre lang trainierte Michael K. im Fitnesscenter EMS-Sportwelt in Zürich. Wenn er daran zurückdenkt, ärgert er sich: «Weil die Kunden angelogen und mit Floskeln abgespiesen werden.»

Auf der Homepage von EMS-Sportwelt in Zürich heisst es, in nur 20 Minuten könne man ein intensives Ganzkörpertraining absolvieren.

So funktioniert EMS in Ganzkörperanzügen

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Bei einem EMS-Training tragen die Kunden und Kundinnen einen speziellen Anzug, mit mehreren Elektroden, die Impulse aussenden. Diese bewirken, dass sich die Muskeln zusammenziehen. Mit dem Anzug lassen sich gleichzeitig mehrere Muskeln am Körper stimulieren. In der Werbung wird versprochen, es könnten Muskeln aufgebaut, Gewebe gestrafft und Körperfett reduziert werden.

Das sechsmonatige Abo von Michael K. enthielt ein EMS-Training pro Woche, total 26. Er bezahlte mit Rabatt rund Fr. 180 monatlich, im Jahr Fr. 2160. Das Abo kostet doppelt so viel wie ein herkömmliches Fitnesscenter. 

Lassen sich ungenutzte Training nachholen?

Als Michael K. Frau ernsthaft erkrankt, kann er nicht mehr jede Woche trainieren. Nach Ablauf des Abos sind mehrere Trainings ungenutzt. Der Trainer hatte zugesichert, er könne sie nachholen, wie es auch im Vertrag steht. Doch die Geschäftsleitung verwehrt ihm dies.

Michael K. fühlt sich betrogen. Er sagt, er habe klar kommuniziert, dass es eine Ausnahmesituation sei. Auf Trustpilot kritisieren auch andere Kunden, dass ihnen Lektionen gestrichen wurden.

Der Geschäftsführer der beiden EMS-Sportwelt Filialen, Olmo Becker, bestreitet, dass die Lektionen in unzulässiger Weise gestrichen worden seien. Er sagt, man könne Lektionen nur innerhalb von sechs Wochen nachholen. So stehe es in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB).

Was steht in den AGB ?

 Doch von einer solchen Frist steht in den AGB nichts. Gabriela Baumgartner, «Kassensturz»-Rechtsexpertin, stellt klar: «Im Vertrag steht, dass man die Lektionen nachholen kann und es steht explizit, dass man sie nach Ablauf vom Vertrag nachholen kann.»

Auch Marlene K., hat negative Erfahrungen mit EMS gemacht. Sie sagt, sie sei in einen Vertrag gedrängt worden. Und: «Ich wollte den Vertrag nicht unterschreiben, aber dann ist der Studioleiter richtig wütend geworden.»

Auszug aus den AGBs der EMS-Sportwelt
Legende: Die AGB der EMS-Sportwelt widersprechen den Aussagen des Geschäftsführers. AGB EMS-Sportwelt

Am Ende unterschreibt sie, weil er versichert, sie könne jeden Monat kündigen. Wochen später bekommt sie Rückenprobleme, die Diagnose: Diskushernie. Sie darf keine EMS-Trainings mehr machen. Mit dem ärztlichen Attest geht sie ins Fitnesscenter und kündigt.

Das sagt ein Experte zu EMS

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Nicola Maffiuletti forscht seit mehr als 20 Jahren zu Elektromuskelstimulation (EMS) an der Zürcher Schulthess Klinik.

Bei der Anwendung von EMS wird Strom über Elektroden, die auf der Haut liegen, auf die Muskeln übertragen. Der Strom stimuliert die Nerven. Diese erzeugen dann eine Kontraktion der Muskeln.

Nicola Maffiuletti sieht drei verschiedene Anwendungsmöglichkeiten von EMS, um Muskelabbau zu stoppen bzw. aufzubauen:

«Die erste ist bei immobilen Menschen, beispielsweise bei Patienten im Koma. Das ist die effektivste Anwendung. Die zweite Möglichkeit ist nach einer Verletzung oder einer Operation in der Sportmedizin, wenn Patienten noch nicht an Fitnessgeräten trainieren können. Und die dritte Anwendung ist bei gesunden Menschen. Doch es macht keinen Sinn, EMS beim breiten Publikum für Fitnesszwecke einzusetzen.»

Er erklärt, es gebe keine wissenschaftliche Studie, die belegen würde, dass EMS gesunden Menschen beim Muskelaufbau oder beim Abnehmen helfe. Also, die meisten Versprechen der Werbung der Studios seien falsch.

Für ein teures 20-Minuten-Training gebe es billigere Alternativen, sagt der Sportwissenschafter: «Wir verfügen heute über umfangreiche Daten zu konventionellen Übungen und hochintensiven Übungsformen: Zum Beispiel ist es sehr effektiv, ein paar Mal am Tag schnell die Treppe hochzusteigen. Das ist nicht teuer und eine Alternative zu exklusiven Trainingsmethoden wie Ganzkörper-EMS.»

Trotzdem bekommt sie im Herbst einen Zahlungsbefehl für den ganzen Jahresbeitrag. Wiederum sucht Marlene K. das Gespräch, es heisst, sie müsse alle Beiträge bezahlen, ihre Krankheit sei kein Grund, um aus dem Vertrag auszusteigen. Um eine Betreibung zu verhindern, bezahlt Marlene K. Fr. 2580.

Ist Krankheit ein Grund, um aus dem Vertrag auszusteigen?

Gemäss den AGB könne man das Abo in Krankheitsfällen unterbrechen, erklärt Gabriela Baumgartner, «Kassensturz»-Rechtsexpertin, aber man müsse ein Zeugnis bringen und weiterzahlen. Und: «Grundsätzlich ist es aber so, wenn man so schwer krank ist, gerade eine Diskushernie, dass man längere Zeit so nicht mehr trainieren kann, dann ist das ein wichtiger Grund und üblicherweise kann man aus einem Vertrag aussteigen.»

Der EMS Sportwelt-Geschäftsführer erklärt, bei Rückenproblemen käme höchstens eine Pause infrage. Auswirkungen auf den Vertrag hätten nur viel schwerere gesundheitliche Gründe: «Das sind Herzschrittmacher, Epilepsie, Tumorerkrankungen usw., aber eben Rückenprobleme oder eine Diskushernie sind kein Teil von diesen Kontraindikationen.»

Bei «Kassensturz» haben sich in den letzten Wochen rund ein Dutzend Kundinnen gemeldet, die ebenfalls kritisieren, dass sie gedrängt wurden, ein Abo abzuschliessen. Der EMS-Geschäftsführer wehrt ab, er zwinge niemandem einen Vertrag auf.

Stellungnahme EMS-Sportwelt, Zürich

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Der Geschäftsführer, weist den Vorwurf, er habe Kundinnen bedrängt einen Vertrag abzuschliessen, zurück. Er sagt, er würde niemanden zwingen, zu ihnen zu kommen. Aber bei Interessentinnen, die bei den Social-Media Aktionen mitmachten, gehe er davon aus, dass diese Interesse hätten.

Seit 2017 würden EMS im Schnitt 250 Probetrainings pro Jahr durchführen, hochgerechnet bis heute seien das ungefähr 1500 Probetrainings. Und nur ganz wenige Kunden und Kundinnen hätten sich je bei ihm deswegen beschwert.

Kassensturz, 1.02.24, 21:05 Uhr

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