Er habe seit vielen Jahren als Geschäftsführer eines mittelgrossen Unternehmens gearbeitet, schreibt ein Mann aus dem Raum Zürich dem Konsumentenmagazin «Espresso» von Radio SRF 1.
«Meine Leistungen waren immer top. Letztes Jahr erzielte ich das beste Jahresergebnis in der Geschichte des Unternehmens.» Und dann das: Der Verwaltungsrat kündigt dem Mann. Die «Konstellation» in der Geschäftsleitung stimme angeblich nicht mehr.
Entlassen – kurz vor der Pensionierung
Für den Betroffenen ein Schock. Ob der Mann nochmals eine gleichwertige Anstellung findet, ist trotz Fachkräftemangel unsicher. Denn: Er ist bereits 59 Jahre alt. «Kann man mich in diesem Alter, kurz vor der Pensionierung, einfach entlassen?», möchte er wissen.
Das Schweizer Recht kennt keinen gesetzlichen Kündigungsschutz für ältere Mitarbeitende. Unternehmen können auch langjährige, verdiente Angestellte auf die Strasse stellen. Allerdings relativiert das Bundesgericht diesen Grundsatz zugunsten der Angestellten.
«Erhöhte» Fürsorgepflicht gegenüber älteren Angestellten
Gegenüber älteren, kurz vor der Pensionierung stehenden Angestellten und langjährigen Angestellten haben Arbeitgebende laut Bundesgericht eine erhöhte Fürsorgepflicht . Sie sind angehalten, alle Möglichkeiten zu prüfen, um eine Entlassung zu vermeiden oder – sollte dies nicht möglich sein – finanzielle Einbussen der betroffenen Person zu vermeiden. Vorgesetzte müssen also mit älteren Angestellten bezüglich Leistung und Verhalten mehr Geduld haben als mit jüngeren.
Im konkreten Fall ging es um einen Heizungsmonteur, der mit 64 Jahren nach 44 Dienstjahren entlassen wurde, weil er Entscheide der Vorgesetzten kritisierte. Das Bundesgericht beurteilte die Kündigung als missbräuchlich und sprach ihm eine Entschädigung von 6 Monatslöhnen zu.
Kein Schutz für höhere Angestellte
In einem neueren Entscheid allerdings relativierte das Bundesgericht seine Rechtsprechung. Die erhöhte Fürsorgepflicht gelte nicht bei Angestellten in höheren leitenden Positionen, wie zum Beispiel bei Mitgliedern einer Geschäftsleitung, die über grosse Entscheidungskompetenzen im Betrieb verfügen. Denn dort – so das höchste Gericht – liege kein grobes Missverhältnis zwischen den Interessen des Unternehmens und denen des Angestellten vor. Die Klage eines Geschäftsleiters und Verwaltungsrats-Mitglied mit 37 Dienstjahren wies das Bundesgericht ab.
Wie stark das Missverhältnis im Beispiel des 59-Jährigen «Espresso»-Hörers ausfällt, muss anhand der konkreten Umstände geprüft werden. Der Mann lässt sich nun von einer Anwaltskanzlei beraten.