Ein Schweizer Stoffhändler kopiert ein Motiv einer Toggenburger Scherenschnitt-Künstlerin und stellt daraus Stoffe her. Der «Kassensturz» berichtete über diesen Fall von Design-Klau.
Im Beitrag rechtfertigt sich der Stoffhändler. Eine Mitarbeiterin habe das Motiv in Internet gefunden. Was im Internet sei, gelte als öffentliches Gut und dürfe kopiert und verwendet werden.
Internet ist kein Selbstbedienungsladen
«Falsch», sagt Rechtsanwalt Florian Schmidt-Gabain im «Kassensturz». Kunstwerke sind urheberrechtlich geschützt und dürfen nur mit Einwilligung des Künstlers verwendet werden. Die betroffene Künstlerin verlangt nun vom Stoffproduzenten, dass er keine weiteren Stoffe mit ihrem Muster verkauft und die Produktion einstellt.
Nach Ausstrahlung des Beitrages meldet sich nun Irene Tescari aus Buchs beim Konsumentenmagazin «Espresso». Via Facebook habe sie vom Design-Klau erfahren. Ihr Problem: «Ich habe völlig unwissentlich in einem Geschäft aus unserer Region diesen Stoff gekauft und bereits begonnen, Schürzen für den Weihnachtsmarkt zu nähen». Irene Tescari fragt im Geschäft nach, wo sie den Stoff gekauft hat. Von dort bekommt sie die Auskunft, der Stoffhändler müsse das Problem mit der Künstlerin lösen. «Wir als Stoffgeschäft und Sie als Käuferin oder allenfalls als Verkäuferin auf dem Markt haben nichts zu befürchten». Irene Tescari möchte aber auf Nummer sicher gehen.
Vom Konsumentenmagazin «Espresso» von Radio SRF 1 möchte sie deshalb wissen, ob sie diese Schürzen tatsächlich verkaufen darf oder ob sie sich damit rechtliche Probleme einhandeln könnte.
Ein Blick ins Urheberrechtsgesetz schafft Klarheit
Die Vorsicht der «Espresso»-Hörerin ist berechtigt. Wer ohne Einwilligung des Urhebers ein geschütztes Werk verwendet und verkauft, begeht eine Urheberrechtsverletzung und kann belangt werden. Das gilt auch, wenn jemand wie im Beispiel von Irene Tescari durch den Kauf und Weiterverkauf unwissentlich eine solche Urheberrechtsverletzung begeht.
Wer wie Irene Tescari erst nach dem Kauf feststellt, dass die Ware geschützt ist und ohne Einwilligung des Künstlers nicht weiterverkauft werden darf, kann die Ware dem Verkäufer zurückbringen und den Kaufpreis zurückverlangen. Der Verkäufer muss mangelfreie Ware liefern. Verkauft er Waren, deren Urheberrechte er nicht geprüft hat, so gelten diese Waren rechtlich als mangelhaft und müssen zurückgenommen werden.
Das Gesetz
Streng nach den Regeln heisst das für Irene Tescari: Verkauft sie ihre Schürzen auf dem Markt, kann sie – wenn sie erwischt wird - wegen einer Urheberrechtsverletzung belangt und zur Kasse gebeten werden.
Eine unmögliche Situation. Aber es gibt einen Ausweg. Mit der Einwilligung der Toggenburger Scherenschnitt-Künstlerin dürfte Irene Tescari ihre Produkte dennoch verkaufen.
Wer Probleme vermeiden will, erkundigt sich beim Urheber
Genau das will die Handarbeitslehrerin nun versuchen und bei der Künstlerin nachfragen. Und auch für den Fall, dass die Künstlerin nicht einverstanden ist, hat Irene Tescari bereits einen Plan-B: «Dann werde ich die bereits genähten Schürzen verschenken und selber tragen». Auf rechtliche Auseinandersetzungen hat sie jedenfalls keine Lust.
Das Wichtigste zum Urheberrecht:
- Individuell gestaltete Kunstwerke sind durch das Urheberrecht geschützt. Das bedeutet, dass nur der Künstler selber bestimmen darf, wie und durch wen sein Werk verwendet und veröffentlicht werden darf.
- Es ist unerheblich, ob ein Kunstwerk besonders wertvoll oder von hoher künstlerischer Qualität ist. Damit ein Werk unter den gesetzlichen Schutz fällt, muss es individuell gestaltet sein.
- Durch das Urheberrecht geschützt sind alle Arten von Kunstwerken, geistige Werke wie zum Beispiel Musik, literarische oder wissenschaftliche Texte, Übersetzungen, Bearbeitungen, tänzerische Choreographien oder auch Computerprogramme.
- Wer nun einen fremden Text oder ein Musikstück verwenden möchte, muss dazu die Einwilligung des Künstlers einholen. Erlaubt ist die Nutzung eines Werkes einzig, wenn das Original so stark bearbeitet wird, dass ein neues Werk entsteht.
- Bei Texten gilt eine Ausnahme: Auszüge aus bereits veröffentlichten Texten dürfen genutzt werden, allerdings nur als Zitat. Autor und die Quelle müssen korrekt angegeben werden.