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Rechtsfrage: Wer unüberlegt streikt, riskiert die Kündigung
Aus Espresso vom 23.05.2019. Bild: Keystone
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Streik Wer unüberlegt streikt, riskiert die Kündigung

In diesen Tagen und Wochen wird überall gestreikt: Schüler gehen für eine bessere Umwelt auf die Strasse, Frauen für die Gleichberechtigung. «Espresso» sagt, ob und in welchen Fällen Angestellte für bessere Arbeitsbedingungen streiken dürfen.

Wartende Passagiere auf Bahnhöfen und Flughäfen, Angestellte in Arbeitskleidung mit Fahnen und Spruchbändern: Solche Bilder gehen regelmässig um die Welt. Wenn beispielsweise Fluglotsen oder Bahnangestellte streiken, herrscht Chaos.

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Ein Streik ist laut Duden eine «gemeinsame, meist gewerkschaftlich organisierte Arbeitsniederlegung von Arbeitnehmenden zur Durchsetzung bestimmter wirtschaftlicher, sozialer, die Arbeit betreffender Forderungen.» Bei dieser Definition wird klar, weshalb weder der Frauenstreik noch die verschiedenen Klimakundgebungen Streiks im rechtlichen Sinne sind.

Bei einem Streik geht es um bessere Arbeitsbedingungen. Mit der Niederlegung der Arbeit – dem eigentlichen Streik – soll ein Betrieb oder ein Arbeitgeberverband unter Druck gesetzt werden.

In der Schweiz wird selten «richtig» gestreikt

Im Gegensatz zum umliegenden Ausland wird in der Schweiz vergleichsweise selten für bessere Arbeitsbedingungen gestreikt. Der Grund dafür findet sich im Artikel 28 der Bundesverfassung. Dort heisst es, mit einem Streik dürfe nicht gegen eine in einem Gesamtarbeitsvertrag verankerte Friedenspflicht verstossen werden.

Haben sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber in einem Gesamtarbeitsvertrag zu Verhandlungen bei Konflikten verpflichtet, was in den meisten Gesamtarbeitsverträgen der Fall ist, dürfen Angestellte nicht einfach darauflosstreiken. Greifen Angestellte dennoch zu diesem Mittel, verstossen sie gegen den Gesamtarbeitsvertrag und müssen mit Sanktionen rechnen, zum Beispiel mit einer Abmahnung oder Kündigung.

Bedingungen für einen legalen Streik

Damit Angestellte legal streiken dürfen, müssen in der Schweiz die folgenden Bedingungen erfüllt sein:

  • Der Streik muss von einer Gewerkschaft oder einem Angestelltenverband beschlossen werden. Die Gewerkschaft oder der Verband müssen mit dem Arbeitgeber in sozialpartnerschaftlichen Verhandlungen stehen.
  • Der Streik muss Ziele verfolgen, die im Gesamtarbeitsvertrag geregelt sind. Zum Beispiel bessere Löhne oder Arbeitsbedingungen. Mit einem Streik die Einführung eines Vaterschaftsurlaubes erzwingen zu wollen, wäre also kein rechtmässiges Ziel.
  • Der Streik muss verhältnismässig sein. Angestellte dürfen erst streiken, wenn zuvor Verhandlungen gescheitert sind und wenn keine anderen Möglichkeiten für eine Einigung mehr zur Verfügung stehen.

Erst wenn sämtliche dieser Voraussetzungen erfüllt sind, dürfen Angestellte die Arbeit niederlegen und sind nicht verpflichtet, die ausgefallene Arbeitszeit später nachzuarbeiten. Allerdings können sie für diese Zeit auch keinen Lohn beanspruchen. Entlässt ein Arbeitgeber aus Rache streikende Angestellte, so könnten diese die Kündigung als missbräuchlich anfechten.

Seine Meinung verbreiten ist immer erlaubt

Sich ohne Streik für bessere Arbeitsbedingungen einsetzen, ist dagegen immer möglich. Ein Arbeitgeber darf seinen Angestellten nicht verbieten, sich in einer Gewerkschaft zu engagieren oder zum Beispiel Flugblätter am Arbeitsplatz zu verteilen. Denn auch diese Rechte sind durch die Verfassung geschützt.

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