Mit der Verpflichtung von Pia Sundhage ist dem Schweizerischen Fussballverband (SFV) ein grosser Wurf gelungen. Die Vize-Weltmeisterin und zweifache Olympiasiegerin ist die grösste Figur, die je bei den Schweizerinnen an der Seitenlinie stand. Und doch dürfte neben ihrer internationalen Erfahrung noch etwas anderes an Sundhage ganz wichtig für die Nati werden.
Zuletzt haperte es nämlich nicht primär im physischen, sondern im psychischen Bereich. Unter Vorgängerin Inka Grings, mit der man nur 1 Sieg aus 14 Spielen holte, kam es zu Spannungen und Knatsch, das Fingerspitzengefühl der Trainerin wurde zu oft vermisst. Höhepunkt dieser Differenzen waren die Diskussionen auf dem Feld während dem 1:7 gegen Spanien und die viel kritisierte Nicht-Berücksichtigung von Ana-Maria Crnogorcevic nach der WM .
In der Nati sind nun wieder mehr Empathie und Miteinander gefragt – Sundhage dürfte dies mitbringen. Bei ihrer Vorstellung sprach die Schwedin wiederholt von Teamwork und Zusammengehörigkeit. Die 63-Jährige gilt als Trainerin, die zwar hohe Ansprüche an die Fitness stellt, aber extrem menschlich ist und Kommunikation in den Vordergrund stellt.
Ich habe noch keinen Song vorbereitet, aber es kann gut sein – vielleicht versuche ich es sogar auf Deutsch.
Spielerinnen aus den USA und Schweden, wo sie die Nationalteams in den letzten 15 Jahren unter anderem betreute, sprechen in Interviews von ihrer positiven Art und ihrer Gelassenheit. Humor dürfte bei der Skandinavierin ebenfalls nicht zu kurz kommen: Ein Markenzeichen sind ihre Gesangseinlagen, sei es vor den Medien oder wenn sie ein neues Team übernimmt.
Am Dienstag war Sundhage ebenfalls locker aufgelegt, liess sich aber nicht entlocken, ob es auch für die Schweizerinnen ein Ständchen geben wird. «Ich habe noch nichts vorbereitet, aber es kann gut sein – vielleicht versuche ich es sogar auf Deutsch», sagte die Schwedin, die noch keine Schweizer Landessprache beherrscht, auf Englisch.
Episoden wie diese zeigen, dass sich der Verband wieder eher eine Nati-Trainerin à la Nils Nielsen (im Amt von 2018 bis 2022) gesucht hat. Von der disziplin- und hierarchisch geprägten Coachingmentalität Grings' distanziert man sich.
Mit Schweden das Gleiche erlebt
Dies dürfte bei den Nati-Spielerinnen gut ankommen, doch mit Persönlichkeit allein lässt sich die Resultatkrise anderthalb Jahre vor der Heim-EM nicht eliminieren. In die taktischen Karten liess Sundhage noch nicht blicken. «Es geht vor allem darum, dass wir wieder mehr Tore schiessen», betonte sie. Letztes Jahr erzielte die Nati nur 10 Treffer in 16 Partien.
Dass Sundhage schnell etwas bewirken kann, hat sie in den USA bewiesen. 2007 übernahm sie das Nationalteam nach dem desaströsen WM-Aus mit einem 0:4 im Halbfinal gegen Brasilien und dem internen Zerwürfnis mit Nummer-1-Goalie Hope Solo. Die Schwedin baute die zerbrochene Equipe wieder auf, holte Solo zurück und gewann knapp 1 Jahr später Olympia-Gold.
Solche Ambitionen kann die Star-Trainerin, deren Vertrag bis 2025 läuft und die erstmals die Führung in einem kleinen Fussball-Land übernimmt, nun nicht mehr haben. Entscheidendes Argument für ihre Unterschrift sei aber die Heim-EM gewesen. Eine solche hat sie 2013 bereits als Coach in Schweden mitgemacht. Sundhage beschreibt diese als eine der «lustigsten und wichtigsten Erfahrungen meines Lebens», sie erreichte mit ihrem Team den Halbfinal. Die 63-Jährige möchte dies gerne noch mal erleben – die Fussball-Schweiz dürfte dazu nicht Nein sagen.