Für den Bezwinger Stefan Bellmont war der klare Auftakt-Sieg (3:0) bei seiner 2. WM-Teilnahme im Londoner Alexandra Palace ein veritabler Coup. Für den Bezwungenen, den 5-fachen Weltmeister Raymond van Barneveld, dagegen kam der Ausgang einer persönlichen Schmach gleich.
Der Niederländer nimmt die Schlappe nun zum Anlass, um Tage danach ganz generell sowie voller Ernüchterung auf «ein vergeudetes Jahr» zurückzublicken – und zu einer schonungslosen Selbstkritik auszuholen.
Finanziell auf eine Fortsetzung der Karriere angewiesen
«Weihnachten bedeutet mir dieses Jahr nichts. Ich habe nichts zu feiern», sagte er dem Portal NU.nl in seiner Heimat. Einen erneuten Rücktritt zieht der 58-Jährige nicht in Betracht, obschon er von verschiedensten Seiten dazu gedrängt wird. Primär aus finanziellen Gründen will er weitermachen. Im Dezember 2019 hatte van Barneveld seine Karriere schon einmal für ein knappes Jahr unterbrochen.
Gewinnen zählt allein. Dafür muss ab jetzt alles andere zurückstehen.
Sein Geständnis: «Ich habe zwar Millionen an Preisgeldern verdient, aber ein Grossteil davon ging an die Steuerbehörden und war für meine Scheidung und Reisekosten. Ich muss weitermachen.» Dass es einen radikalen Kurswechsel in mentaler wie körperlicher Hinsicht braucht, weiss der Niederländer. «Ich würde gern abnehmen und fitter werden, aber ich bin ziemlich faul», gibt er zu.
Er braucht Struktur und Disziplin
«Manchmal sitze ich tagelang auf dem Sofa, scrolle durch mein Handy und tue nichts. Ich brauche jemanden, der mich von der Couch holt.» Seit Jahren gelinge es ihm nicht, sich selbst «einen Tritt in den Hintern zu verpassen». Einen solchen erhielt er an der WM vor versammelter Menge vom Zuger Bellmont – und mag dieses Verdikt nun also nicht einfach so hinnehmen.
Er wünscht sich einen «Antreiber», einen Begleiter, um seinen Motivationsproblemen entgegenwirken zu können. Jemanden, der sage: «Herr van Barneveld, auch Sie müssen einen ordentlichen Arbeitstag von 9:00 bis 17:00 Uhr absolvieren, genau wie jeder andere Bürger. Danach ist Freizeit.» Das Problem? Diese Person müsse mit ihm umgehen können. «Ich bin nach Niederlagen nicht gerade gut gelaunt», sagte er. Dazu koste ein solcher Mentor 2000 bis 4000 Euro monatlich. «Wenn man selbst nicht viel Preisgeld gewinnt, muss man eben drauflegen.»
Van Barneveld erlebe vielleicht noch zwei Weltmeisterschaften, «ausser ich qualifiziere mich dafür nicht mehr. Dann ist der Spass schnell vorbei». Ihm habe kürzlich jemand gesagt, dass er einfach das Werfen geniessen solle – aber: «Das ist das Dümmste, was man mir sagen kann. Gewinnen zählt allein. Dafür muss ab jetzt alles andere zurückstehen.»