Und plötzlich waren da diese Kopfschmerzen, als Judith Wyder am 26. Dezember 2019 erwachte. Sehr starke Kopfschmerzen. Keine Seltenheit im Leben der bewegungsliebenden Bernerin. «Ich litt oft an Migräne, als ich jung war. Das erschien mir deshalb als nichts Spezielles. Klar, ich war damals im vierten Monat schwanger, deshalb war mir etwas unwohl, aber wir hatten die Hoffnung, dass das wieder vorbeigehen würde», erinnert sich Wyder.
Doch es ging nicht vorbei. Was Wyder zu diesem Zeitpunkt noch nicht wusste: Die Kopfschmerzen waren die Folgen eines Hirnschlags.
Gemeinsam gemeistert
Noch am gleichen Tag fand sie sich auf Anraten ihres Ehemannes und den kontaktierten Ärzten im Spital ein. Begleitet von der bangen Frage, welche Konsequenzen die Ereignisse für ihr Kind haben können. «Ich wusste, dass es Jonna bis dahin gut ging. Ich habe sie während dieses Spitalaufenthalts zum ersten Mal gespürt. Dadurch hat sie mir in dieser Zeit extrem viel gegeben. Und da habe ich realisiert, okay, wir meistern das zusammen. Und so ging ich weiter: Von dieser Trauer und Unsicherheit zum Punkt, an dem ich versuchte, zu funktionieren.»
Seit etwa einem halben Jahr bin ich intensiv daran, meine Geschichte aufzuarbeiten.
Einfacher gesagt als getan. Denn der Hirnschlag löste einiges aus: «Bei mir war das linke Sehzentrum betroffen. Dort befinden sich auch das ganze Erinnerungsvermögen sowie gewisse kognitive Dinge. Sprich: Ich habe zu Beginn auf dem rechten Auge schwarz gesehen, nun ist noch etwa ein Drittel der Sehkraft vorhanden. Bei meinem linken Bein war zudem die Muskelkraft leicht eingeschränkt. Und was mich bis heute am meisten stört, respektive beeinflusst, sind die Konzentrations- und Erinnerungsfähigkeit. In diesen Bereichen habe ich nach wie vor wahnsinnig Mühe. Ich wünsche mir meine Belastbarkeit zurück.»
Gesundes Kind und zurück an der Weltspitze
Wyder erzählt ihre Geschichte an einem Frühlingstag auf dem Berner Hausberg Gurten. Obwohl ihr Verarbeitungsprozess noch andauert, teilt sie ihren Weg. Weil sie zeigen will, dass auch junge Leute betroffen sein können. Wyder hat ihr Kind gesund zur Welt gebracht, sich als Bergläuferin auf bemerkenswerte Art und Weise an die Weltspitze zurückgekämpft.
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Bild 1 von 5. Der Anfang. Im französischen La Féclaz holt Judith Wyder im August 2011 ihre erste WM-Medaille. Über die Mitteldistanz gewinnt sie Bronze. Bildquelle: PHOTOPRESS/Alexandra Wey.
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Bild 2 von 5. Erstmals Gold. 2012 läuft Judith Wyder (links) gemeinsam mit Simone Niggli-Luder und Ines Brodmann zu Staffel-Gold an der Heim-WM in Lausanne. Bildquelle: KEYSTONE/Jean-Christophe Bott.
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Bild 3 von 5. Erfolg folgt auf Erfolg. An der WM 2014 in Italien räumt Judith Wyder so richtig ab. Gleich dreimal gewinnt sie Gold. Bildquelle: Swiss Orienteering/Remy Steinegger.
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Bild 4 von 5. Auch bergauf geht's. Nicht nur im Orientierungslauf ist Judith Wyder erfolgreich. Im Sommer 2019 läuft sie unter anderem beim Rennen Sierre–Zinal auf den 2. Rang. Bildquelle: KEYSTONE/Louis Dasselborne.
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Bild 5 von 5. Nach Schicksalsschlag zurück. Bereits zwei Jahre nach ihrem Hirnschlag bestreitet Judith Wyder wieder Rennen. Und dies erfolgreich. 2024 stellt sie beim Mont-Blanc-Marathon einen Streckenrekord auf. Bildquelle: GoldenTrailSeries® – The Adventure Bakery.
Die Folgen des Hirnschlags beschäftigen sie aber bis heute: «Es ist für mich ein Prozess, der noch nicht abgeschlossen ist. Seit etwa einem halben Jahr bin ich intensiv daran, meine Geschichte aufzuarbeiten.» Wyders ganze Geschichte erfahren Sie in der aktuellen Folge von «Kehrseite – Abseits des Erfolgs».