Die Sprinter spielen bei der Frankreich-Rundfahrt eine stets kleiner werdende Rolle. «Die Schere geht immer weiter auseinander», sagt Phil Bauhaus, bester deutscher Sprinter und Dritter der 3. Etappe. Radprofis wie Bauhaus stellen sich mittlerweile die Sinnfrage: Was sollen sie noch bei einer Tour, deren Streckenführung sie zunehmend als Schikane empfinden müssen?
«Man nimmt den Sprintern den grössten Tag weg»
5 echte Siegchancen hatten die Sprinter bei der 112. Tour de France. 2017 hatte allein der damalige Topsprinter Marcel Kittel 5 Etappen gewonnen, insgesamt gingen 10 von 21 Tagessiegen an die endschnellen Fahrer. Und selbst an der allerheiligsten Sprint-Kuh schnibbelten die Organisatoren.
«Mein Traum war es immer, einmal auf den Champs-Élysées zu sprinten», sagt Bauhaus. Doch vor dem traditionellen Finale der Schlussetappe auf der Pariser Prachtmeile hat Tour-Streckenchef Thierry Gouvenou 3 Bergwertungen auf dem Montmartre eingebaut – weil das eben beim olympischen Strassenrennen 2024 schön stimmungsvoll war.
«Jetzt nimmt man den Sprintern ihren grössten Tag weg», sagte Olympiasieger Remco Evenepoel, der – nicht deswegen – bei der Tour bereits ausgestiegen ist.
Einst grösste Sprintertrophäe mit Bedeutungswandel
In der Wertung des Grünen Trikots fanden sich vor der letzten Bergetappe nur 3 klassische Sprinter unter den Top 10. Zwar führte Jonathan Milan (er gewann die Etappen 8 und 17 im Sprint), dahinter lag aber gleich Kletterkönig Tadej Pogacar. Wäre Milan am Zeitlimit gescheitert, hätte in Pogacar erstmals seit Eddy Merckx 1972 ein Klassementfahrer die Grün-Wertung gewonnen.
Das Sprinter-Schattendasein ist gewollt – das sieht auch Rolf Aldag so. «Das wird sehr bewusst so gemacht», sagt der Sportliche Leiter des Red-Bull-Teams: «Selbst als Radsport-Experte kann man sich nicht unbedingt eine sechsstündige Sprint-Etappe von Anfang bis Ende im TV anschauen.» Ziel der Organisatoren sei es, die Tour und ihre Etappen von Beginn an unvorhersehbar und spannend zu machen.