SRF Sport: Geraint Thomas hat zum ersten Mal die Tour de France gewonnen. Ein verdienter und würdiger Sieger?
David Loosli: Auf jeden Fall! Er hat über 3 Wochen keine Schwächen gezeigt. Er war auch in den Bergen immer vorne mit dabei und hat nie Zeit verloren. Auch im Zeitfahren war er souverän. Natürlich profitierte er davon, dass er unbeschadet durch die erste Woche kam und von Stürzen und Defekten verschont blieb. Aber man sah deutlich, dass er der Stärkste war.
Nebst dem schadlosen Überstehen der 1. Woche: Gab es noch einen Schlüsselmoment bei Thomas auf dem Weg zum Tour-Sieg?
Einen Schlüsselmoment nicht unbedingt. Was ihm sicher in die Karten gespielt hat, ist die Tatsache, dass Chris Froome in seinem Team war. Viele Mitfavoriten haben sich auf Froome konzentriert. Thomas flog so ein wenig unter dem Radar, dabei lag er auf der besten Position.
Offenbar war die Doppelteilnahme an Giro d'Italia und Tour de France zu viel für Froome.
Apropos Froome: Woran lag es beim Vorjahressieger, dass es nicht nach ganz vorne gereicht hat? War er zu schwach oder glauben Sie, dass Team Sky eine Stallorder verhängt hat?
Gerade die letzte Woche zeigte, dass Froome am Limit fuhr. Auf der letzten Bergetappe war klar zu sehen, wie er zu kämpfen hatte. Er wurde mehrfach abgehängt. Bis dahin wusste man nicht, ob Sky allenfalls taktiert. Offenbar war die Doppelteilnahme an Giro d'Italia und Tour de France zu viel für ihn.
Hätten Sie Thomas den Sieg im Vorfeld zugetraut?
Ich will nicht bluffen, aber ich hatte ihn schon auf der Rechnung (lacht). Lange wusste man ja nicht, ob Froome überhaupt starten darf. Das hat bei Thomas in der Vorbereitung etwas ausgelöst. Er sagte immer, dass er sich so vorbereite, als wäre er der einzige Leader seines Teams. Das hat sicher den Ausschlag gegeben.
3 Bergetappen nacheinander, das haben viele Sprinter nicht vertragen.
Wer hat Sie besonders überrascht in diesem Jahr?
Das Duo von LottoNL-Jumbo, Steven Kruijswijk und Primoz Roglic, fuhr sehr stark. Die beiden waren Aktivposten und machten das Rennen attraktiv. Sie klassierten sich auf den Plätzen 4 und 5, das kam doch überraschend.
Viele Sprinter mussten die Tour aufgeben. War die Ausgabe 2018 zu anspruchsvoll für diese Spezialisten?
Es sieht danach aus. Es gab schon andere Tour-Ausgaben, die von der Gesamtlänge und den Höhenmetern vergleichbar waren. Doch offenbar folgten die Belastungen in zu kurzen Abständen. 3 Bergetappen nacheinander, das haben viele Sprinter nicht vertragen.
Wie Loosli die Leistung der Schweizer beurteilt, erfahren Sie im Video:
Sendebezug: SRF zwei, «sportpanorama», 29.07.2018, 18:30 Uhr.