Max Verstappen nahm die zweite chaotische Formel-1-Titelentscheidung nacheinander zwar locker. Doch dass der Automobil-Weltverband FIA dem Niederländer mit einer für viele verblüffenden Punktevergabe seinen Weltmeister-Moment raubte, reihte sich nahtlos in eine Serie unwürdiger Pannen und Fehler ein.
«Es gibt eine unendliche Liste von Kontroversen und Fehlern», sagte Ferrari-Teamchef Mattia Binotto in einer digitalen Medienrunde deutlich: «Ich möchte nicht so weit gehen und sagen, dass alles zum Wohle von Red Bull getan wird, aber es gibt Ungereimtheiten und Fehler bei den Entscheidungen. Unser Sport muss besser werden.»
Einmal mehr stolperte die Formel 1 in Japan über ihr viel zu kompliziertes Regelwerk, in dem nicht mal mehr die Profis durchblicken. Erst als der Streckensprecher Verstappen als Weltmeister ausrief, dämmerte den meisten, dass trotz des verkürzten Rennens volle Punkte vergeben wurden und Verstappen nicht mehr einzuholen ist.
Spott in den sozialen Medien
In den sozialen Medien zeigten sich die Formel-1-Fans entrüstet darüber, dass man ihnen den wichtigsten Moment des Jahres so verdarb und niemand in dem Chaos den Durchblick behalten konnte. Auch die übertragenden Fernsehsender und die meisten Medien hatten falsch gerechnet und waren davon ausgegangen, die WM-Entscheidung sei vertagt.
Von diesen Kontroversen gab es um die FIA zuletzt viele. Wie es dazu kommen konnte, dass in Suzuka ein Bergungsfahrzeug bei wenig Sicht ganz nah am Kurs fuhr, während noch Autos unterwegs waren, soll nun eine Untersuchung klären. Fragwürdige Situationen mit Streckenposten oder Bergungsfahrzeugen an sensiblen Orten passierten trotz aller Initiativen für mehr Sicherheit auch zuletzt noch immer wieder.
Und dann ist da noch die Inkonsequenz bei Regelentscheidungen. Während Sergio Perez' Sieg in Singapur auch Stunden nach dem Rennen noch nicht feststand, dauerte es bei einem Entscheid gegen Charles Leclerc in Japan nur wenige Augenblicke. Nur weil der Ferrari-Star schnell eine Fünf-Sekunden-Strafe für das verbotene Verlassen der Strecke bekam und so vom zweiten auf den dritten Platz zurückfiel, wurde Verstappen in Japan überhaupt schon Weltmeister. «Sehr überrascht und sehr enttäuscht» zeigte sich Binotto von diesem Verhalten der FIA nach «ein paar Sekunden» des Überlegens.
Hat Red Bull Kostengrenze überschritten?
Hinzu kommt auch noch Trägheit, wie beim seit Monaten erwarteten Untersuchungsbericht über die Ausgaben der zehn Teams in der vergangenen Saison. Schon im März sollte ursprünglich geklärt sein, ob Teams 2021 die Kostengrenze von 148,6 Millionen US-Dollar überschritten haben. Immer wieder wurde der Bericht verschoben, zuletzt von der vergangenen auf diese Woche.
Dass erst elf Monate nach dem Saisonende Klarheit herrscht, dass jemand die Regeln gebrochen hat, spricht nicht gerade für den Weltverband. Zumal die FIA auch kaum rückwirkend bestrafen kann. Wenn Verstappen nach dem Gewinn seines zweiten WM-Titels plötzlich wieder um den ersten bangen muss, könnte das niemand verstehen. In einem Sport, der nach dem Image von Perfektion strebt, erst recht nicht.