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Schmidhofer im Interview «Ein besseres Generationen-Duell könnten wir uns nicht wünschen»

Ex-Skirennfahrerin Nicole Schmidhofer spricht im Interview mit SRF Sport über den Speed-Auftakt der Frauen in St. Moritz, Verletzungen und ein mögliches Comeback.

SRF Sport: Nicole Schmidhofer, wie fällt Ihr Fazit nach den drei Rennen in St. Moritz aus?

St. Moritz hat sich von seiner allerbesten Seite präsentiert! Das hatten wir schon lange nicht mehr. Ich habe immer etwas Bedenken, wenn hier zwei Abfahren stattfinden (lacht). Ich hoffe dann einfach immer inständig, dass es klappt. Aber dieses Jahr waren diese Bedenken unbegründet. Perfekte Piste, top Wetter, super Organisation, tolle Siegerinnen – es war ein Speedauftakt, wie wir ihn selten hatten. Es war ein grosses Privileg, dabei sein zu dürfen.

Auch wenn aus Schweizer Sicht die Bilanz getrübt ist: Drei Rennen, drei verschiedene Siegerinnen und dazu noch aus drei verschiedenen Ländern. War das beste Werbung für den Skirennsport?

Absolut! Angefangen hat es mit dem Sieg von Lindsey (Vonn, Anm. d. Red). Ich habe grössten Respekt vor dem, was sie macht. Aus der «Ski-Pension» zurückzukehren, dem Skisport alles unterzuordnen und so zu performen – unglaublich! Auf der anderen Seite haben wir die Jungen, die nachrücken. Die neue Generation, welche die nächsten Jahre prägen wird. Ein besseres Generationen-Duell hätte man sich im Speedbereich nicht vorstellen können. Ich freue mich so richtig auf die kommenden Rennen und hoffe, dass wir noch viele «Premieren-Stockerl» und -Siegerinnen sehen werden.

Zur Person

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Nicole Schmidhofer.
Legende: Gewann 2017 WM-Gold Nicole Schmidhofer. imago images/Eibner Europa

Nicole «Nici» Schmidhofer (Ö) gewann 2017 in St. Moritz den WM-Titel im Super-G. Zudem holte die heute 36-Jährige vier Weltcupsiege. 2023 beendete Schmidhofer – auch wegen Nachwehen einer schweren Knieverletzung – ihre Karriere. Seit dieser Saison begleitet die Steirerin die Rennen als ORF-Expertin.

Sie haben Lindsey Vonn angesprochen. Wenn Sie solche Rennen bei diesen Bedingungen sehen, möchten Sie da nicht am liebsten selbst wieder mitfahren?

Am Sonntag hats schon gekribbelt! Im Super-G ist das öfter der Fall, in der Abfahrt eher weniger. Aber heute in der Früh nach der Besichtigung habe ich schon gedacht: So ein Rennen heute, das würde mir also nichts ausmachen (schmunzelt).

Wenn Sie sich das Niveau anschauen: Denken Sie, dass Sie noch mithalten könnten?

Ganz vorne bei weitem nicht. Aber gewisse Passagen, wo du siehst, dass du mit viel Rennintelligenz fahren musst, wo das Tempo nicht ganz so hoch ist – da habe ich schon das Gefühl, dass ich vielleicht ganz gut mit den Top 20 mithalten könnte. Zwischendrin wären sicher ein paar gute Kurven dabei, von ganz oben bis unten aber nicht.

Dann ist ein Comeback also definitiv kein Thema?

Nein, absolut nicht. Ich habe mir das damals lange und gut überlegt. Das letzte Risiko konnte ich in meiner letzten Saison schon nicht mehr nehmen, und das würde auch jetzt nicht gehen. Ein Beispiel: Der Zielsprung heute wäre wieder so ein Thema gewesen. Ich hätte bereits am Start gewusst, dass ich dort nicht mein letztes Hemd riskieren kann und möchte. Und gerade an diesem Wochenende haben wir wieder gesehen: Wenn du nicht riskierst, bist du nicht vorne dabei. Deshalb möchte ich noch einmal meinen grössten Respekt Lindsey gegenüber zum Ausdruck bringen.

Es gab drei tolle und spannende Rennen, das Wochenende in St. Moritz begann aber mit dem schweren Sturz von Michelle Gisin im Training. Wie haben Sie die Situation erlebt?

Das mit Michelle tut mir irrsinnig leid und hat mich emotional sehr berührt. Wir waren bei der Besichtigung und beim Einfahren noch gemeinsam unterwegs, sie war so positiv. Dann kommt quasi aus dem Nichts, nur wegen der schlechten Sicht, ein blöder Verschneider daher. Und endet so fatal.

Wenn es Tage gibt, wo man es sich nicht zutraut, dann muss man auch einmal ehrlich zu sich selbst sein und beim Starthaus hinten raus gehen.

Viele Fahrerinnen haben mit Gesten im Ziel ihren Unmut wegen der schlechten Sicht zum Ausdruck gebracht. Wie erleben Sie die aktuelle Sicherheitsdebatte generell?

Es war an sich nicht gefährlich, die Sicht war einfach nicht gut. Am Ende ist es auch immer eine Art Selbsteinschätzung. Wir stehen alle am Start und wissen, was auf uns zukommt. Und wenn es Tage gibt, wo man es sich nicht zutraut, dann muss man auch einmal ehrlich zu sich selbst sein und beim Starthaus hinten raus gehen. Ich erinnere mich gerne an Conny Hütter vor zwei Jahren in Lake Louise. Sie hatte das erste Rennen gewonnen und stand am nächsten Tag nach der Besichtigung im Ziel und sagte: «Ich kann nicht fahren». Und dann fragt jeder, wie kann das sein? Wie kann man am Vortag das Rennen gewinnen und dann am nächsten Tag nicht starten?

Was war damals der genaue Grund?

Sie hatte Probleme mit den Augen. Sie sagte, dass sie nicht gut sieht. Und das, obwohl es schönes Wetter war. Aber sie war sich damals bewusst, dass es fatal enden könnte und hat sich deshalb zurückgezogen. Das Rennen am Sonntag hat sie dann sensationell wieder gewonnen. Es gibt einfach Tage, wo man nicht bereit ist. Und dann sollte man ehrlich mit sich selbst sein und vielleicht einmal sagen: «Heute geht’s nicht.»

Das klingt in der Theorie einfach, aber es braucht anscheinend Überwindung. Man fährt ja nicht nur für sich, sondern auch für das Land, die Sponsoren. Inwiefern spielt das eine Rolle?

Ich kann nur von mir sprechen, aber mich hat nie ein Sponsor zu irgendetwas gezwungen. Von einer Verletzung hat niemand etwas, auch nicht der Sponsor. Am Ende geht es um den Menschen selbst. Und die Emotionen kommen bei einem Sieg oder einer guten Platzierung besser rüber als wenn es Interviews aus dem Krankenhaus gibt.

Dann ist es am Ende doch der Athlet, die Athletin, die sich zu einem solchen «Nein» durchringen müssen?

Absolut. Man hat schnell das Gefühl, dass es eine Art Niederlage ist, wenn man nicht startet. Es ist gewissermassen ein Gefühl von Versagen. Der grösste Druck, den ein Athlet spürt, kommt von der eigenen Erwartungshaltung, der eigenen Zielsetzung. Es sollte deshalb jeder ehrlich zu sich selbst sein. Aber wir alle wissen: Ehrlichkeit ist nicht so einfach, nicht gegenüber jemand anderem und schon gar nicht gegenüber sich selbst.

SRF zwei, sportlive, 14.12.2025 10:30 Uhr

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