Es war eine Kampfansage, die Lindsey Vonn mit ihrer Trainingsbestzeit am Mittwoch in St. Moritz an die Konkurrenz gerichtet hatte. Wenige Stunden später legte die Amerikanerin dann verbal nach. «Ich bin körperlich wohl in der besten Form meines Lebens», erklärt Vonn in einem Konferenzraum eines Fünf-Sterne-Luxushotels. «Alles ist angerichtet, die Ausgangslage könnte nicht besser sein.»
Bereit in jeder Hinsicht
Die Gründe für ihre Zuversicht sind mannigfaltig. Da wäre zum einen Vonns Körper, der für einmal «überhaupt nicht schmerzt». Das Knie mit der Teilprothese macht keine Probleme, zudem legte Vonn im Sommer über 5 Kilogramm an Muskelmasse zu. In Sachen Ernährung sei sie wohl noch nie in ihrer ganzen Karriere so strikt gewesen wie zuletzt.
Dann wäre da das Material. Sorgen bereitete der 82-fachen Weltcupsiegerin zuletzt vor allem der Skischuh. Die neueren Modelle seien für ihren Körperbau nicht ideal, «deshalb habe ich einen alten, verstaubten Skischuh aus dem Keller geholt». Damit war Vonn bereits im letzten Winter beim Weltcupfinale in Sun Valley im Super-G als Zweite aufs Podest gefahren. «Niemand fährt mehr mit diesem Modell, aber für mich passt es super», lacht Vonn.
Beim letzten Puzzlestück handelt es sich um den Trainerstab. Ein prominenter Name ragt dabei heraus: Aksel Svindal. Vonn hatte den Norweger bereits im Februar erstmals kontaktiert, im Juli lancierten die beiden das gemeinsame Abenteuer beim Trainingscamp in Chile so richtig.
Harmonische Zusammenarbeit
«Es ist grossartig, von seinem besten Freund, der dazu auch noch ein krasser Skifahrer ist, gecoacht zu werden», schwärmt Vonn vom 36-fachen Weltcupsieger.
Svindal, der mittlerweile neben Vonn Platz genommen hat, geizt ebenfalls nicht mit Komplimenten. «Es macht Spass! Ich hatte nicht vor, in naher Zukunft zu coachen. Aber Lindsey war sehr überzeugend, als sie mich anrief und mir versicherte, dass ich für diesen Job besser geeignet sei als viele andere», so Svindal.
Wären die Olympischen Spiele an einem anderen, nicht bedeutenden Ort, gäbe es für mich keinen Grund, all dies zu tun.
Mit Svindal arbeitete Vonn nicht zuletzt an der Balance, das nächste Ziel sei es nun, wieder konstant zu werden. In ihrer Comeback-Saison – welche die Amerikanerin vor ziemlich genau einem Jahr in St. Moritz lanciert hatte – überzeugte sie schnell mit Top-Plätzen, es gab aber auch Rückschläge. «Letztes Jahr war ich noch unsicher, nun bin ich voller Selbstvertrauen.»
Olympia im «zweiten Zuhause»
Vonn macht keinen Hehl daraus, dass ihr Fokus voll und ganz auf den Olympischen Spielen im Februar liegt. Auch wenn «bis dahin noch viele Rennen gefahren werden», ist Vonn anzumerken, wie viel ihr die Spiele in Cortina d’Ampezzo bedeuten.
«Wären die Olympischen Spiele an einem anderen, nicht bedeutenden Ort, gäbe es für mich keinen Grund, all dies zu tun», so Vonn. Die olympischen Rennen auf einer ihr bekannten Strecke auszutragen, sei eine ganz neue Ausgangslage.
12 (!) Siege hat Vonn im Norden Italiens bereits gefeiert. «Cortina bedeutet für mich zuhause. Und die Strecke bin ich öfter gefahren als jede meiner Konkurrentinnen.» Es ist an diesem Abend eine letzte, vielsagende Botschaft.