Nach einer Knie- und einer Rückenoperation kämpft der ehemalige Riesenslalom-Dominator Ted Ligety um den Anschluss. Im Interview spricht der 34-jährige Amerikaner vor seinem Einsatz in Adelboden über Rücktrittsgedanken, seinen Sohn Jax und liefert Ideen, wie der Skirennsport an Attraktivität gewinnen könnte.
SRF Sport: Ted Ligety, Hand aufs Herz. Wie alt fühlen Sie sich momentan?
Ted Ligety: Nun, wie ein 25-Jähriger fühle ich mich definitiv nicht (schmunzelt) . Mein Rücken hat leider seine Schwachstellen, das habe ich zuletzt in Alta Badia wieder zu spüren bekommen. Aber ich fühle mich schon viel besser, es geht mir momentan gut.
Sie haben Ihre Rückenprobleme angesprochen. Wie sehr sind Sie dadurch beeinträchtigt?
Ich merke es vor allem im Training. Dort versuche ich, das Risiko zu dosieren. Natürlich ist es für die Rennen nicht ideal, wenn man im Training nicht Vollgas geben kann. Aber ich besitze die nötige Erfahrung, die es mir erlaubt, im Rennen den Schalter umzulegen.
Mit dem Rücktritt beschäftige ich mich aktuell nicht.
Vor einigen Jahren waren Sie der dominierende Riesenslalom-Fahrer, ein Vorsprung von einer Sekunde auf den Zweitplatzierten war keine Seltenheit. Welche Erinnerungen haben Sie an diese Zeit?
Ich denke daran, wie schön es war, jung und gesund zu sein (lacht) . Ich hatte einige grossartige Saisons, da hat einfach alles gepasst. Aber ich würde nicht hier sitzen, wenn ich nicht daran glauben würde, wieder auf ein ähnliches Niveau zu kommen.
Haben Sie nie ans Aufhören gedacht?
Nein. Ich möchte mich wieder nach vorne arbeiten und Rennen gewinnen. Ich liebe diesen Sport nach wie vor, mag das Reisen. Mit dem Rücktritt beschäftige ich mich aktuell nicht.
3 Schweizer Fragen an Ted Ligety
Seit einiger Zeit ist auch ihr 18-monatiger Sohn Jax bei den Rennen mit dabei. Was hat sich für Sie verändert?
Alles! Es macht enorm Spass, Zeit mit ihm zu verbringen. Aber er ist ein wilder Junge, das kann ich Ihnen sagen!
Hat er das von Ihnen?
Nicht nur. Meine Frau war als Kind ähnlich wie ich. Unsere Eltern hatten alle Hände voll zu tun. So ist es auch mit Jax. Er schläft zwar brav, kann aber einfach nicht stillsitzen. Das Abendessen mit ihm ist momentan eine ziemliche Herausforderung (lacht) . Aber ich geniesse diese Zeit in vollen Zügen.
Sie haben einige Videos von Jax auf der Skipiste gepostet. Es scheint ihm grossen Spass zu machen.
Er liebt das Skifahren! Das war bei mir ganz anders, ich habe es als kleines Kind gehasst. Wenn im Fernsehen Skirennen laufen, ist er total aufgeregt. Für ihn ist jeder Fahrer «Daddy».
Vielleicht tritt Jax dereinst in Ihre Fussstapfen. Wären Sie zufrieden, wenn Sie ihm den alpinen Rennsport im aktuellen Zustand übergeben würden?
Ich bin der Meinung, dass es durchaus Verbesserungspotenzial gibt. Gerade bei den technischen Disziplinen muss etwas passieren. Nach wenigen Minuten sind die Top-Fahrer im Ziel, bis zur Entscheidung dauert es dann aber mehrere Stunden.
Wir müssen neue Länder besuchen. Tradition ist auf jeden Fall wichtig, aber wir müssen auch expandieren.
Haben Sie einen konkreten Vorschlag, was man unternehmen könnte?
Zuerst müsste man die Startfelder verkleinern. Es macht wenig Sinn, 80 Fahrer in einem Weltcup-Rennen starten zu lassen. Ausserdem bin ich der Meinung, dass wir den Sport noch globaler machen müssen. Wir müssen neue Länder besuchen. Tradition ist auf jeden Fall wichtig, aber wir müssen auch expandieren. Es sollte eine gesunde Balance sein.
Welche Regionen meinen Sie konkret?
Wir waren schon länger nicht mehr in Asien. Ausserdem wären Männerrennen an der US-Ostküste schön. Bei den Frauenrennen kommen 30'000 Fans nach Killington, die Begeisterung ist riesig.
Sie haben die fehlende Attraktivität angesprochen. Mit den Parallel-Events wurde versucht, für etwas mehr Spektakel zu sorgen. Was halten Sie von diesen Rennen?
Sie sind noch zu chaotisch. Meine Frau, die ständig Skirennen schaut, ist jeweils total verwirrt. Aber das Format hat auf jeden Fall Potenzial.
Was wären Ihre Änderungsvorschläge?
In erster Linie muss es ein eigener Event werden. Es sollte nicht zur Slalom- oder Riesenslalomwertung zählen, sondern eine eigene kleine Kristallkugel erhalten. Vielleicht braucht es dazu auch andere Skis. Aber die Grundidee gefällt mir. Es ist doch cool, zwei Fahrer im direkten Vergleich zu sehen.
Interessiert sich die FIS für Ihre Meinung und die Ihrer Kollegen?
Ich weiss nicht, wie empfänglich die FIS für diese Rückmeldungen ist. Vor 5 bis 10 Jahren hat es sie überhaupt nicht interessiert, mittlerweile ist es etwas besser geworden. Es würde sicher helfen, wenn mehr Athleten involviert wären. Dass die wichtigen Positionen fast ausschliesslich von 80-jährigen Männern besetzt sind, ist nicht hilfreich. Es wäre wichtig, wenn eine jüngere Gruppe Leute für einen transparenteren Sport sorgt, die auch die Bedürfnisse der kommenden Generationen berücksichtigt. Gerade was die TV-Aufbereitung angeht, sehe ich grossen Nachholbedarf …
Was meinen Sie konkret?
Meine Schwiegereltern waren kürzlich in Bormio. Vor Ort waren sie überrascht, wie eisig und steil die Piste ist. Das kommt im Fernsehen einfach nicht rüber. Es sind genau diese Dinge, die unseren Sport ausmachen. Das müssen wir dem Zuschauer anschaulicher vermitteln! Wir haben zum Beispiel Geschwindigkeitsmessungen an gewissen Stellen. Weshalb blendet man diese nicht den ganzen Lauf über ein? Das wäre doch cool für den Zuschauer! Ich sage es gerne noch einmal: Wir müssen offener werden und die aktuellen Standards hinterfragen.
Das Gespräch führte Svenja Mastroberardino, Adelboden.
Sendebezug: SRF zwei, sportaktuell, 10.1.19, 22:20 Uhr