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Forschungserfolg in Tansania Genetisch veränderte Mücken: Ein neuer Ansatz gegen Malaria?

Erstmals in Afrika hat eine Forschungsgruppe im Labor eine Mücke entwickelt, die die Übertragung von Malaria verhindert. Der Erfolg gelang dank modernster Gentechnik.

Der Biologe Frédéric Tripet hat viele Jahre seines Forscherlebens mit Feldstudien in Afrika verbracht. Er kennt sich aus mit Mücken – und den Krankheitserregern, die diese übertragen, wie zum Beispiel Malariaparasiten.

Nun hält Tripet am schweizerischen Tropen- und Public Health-Institut die Fäden des Projekts «Transmission Zero» zusammen.

Malaria: ein globales Gesundheitsproblem

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Die Infektionskrankheit Malaria bedroht zunehmend die globale Gesundheit. Die Weltgesundheitsorganisation zählte 2024 rund 280 Millionen Malaria-Fälle und über 600’000 Malaria-Tote, drei Viertel von ihnen waren Kinder unter fünf Jahren. Besonders betroffen ist Afrika: 95 Prozent aller Malaria-Fälle ereignen sich in afrikanischen Ländern.

«Dessen Ziel besteht darin, Mückenpopulationen so zu verändern, dass sie immun gegen Malaria werden», erklärt Frédéric Tripet. In einem Nature-Paper haben die beteiligten Forscher jetzt dargelegt, dass dies – im Prinzip – funktioniert: dank der Genschere CRISPR.

Erste Versuche mit Labormücken

Zurück zu den Anfängen: «Die ersten Experimente wurden in London gemacht», erzählt Tripet. Wissenschaftler des Imperial College setzten mithilfe von CRISPR ins Erbgut von Labormücken zwei winzige Eiweisse ein, von denen man wusste, dass sie malariabekämpfende Eigenschaften haben.

So wurden die Mücken gegen die Infektionskrankheit resistent. Das Problem dabei: «Die britischen Forscher verwendeten Stämme von Mücken und Malariaparasiten, die seit Generationen im Labor gehalten werden.» Mit wilden Stämmen hätten diese wenig gemeinsam.

Wir müssen die Leute informieren und sie überzeugen, dass das, was wir tun, sicher ist.
Autor: Frédéric Tripet Biologe

Als Nächstes galt es, das Projekt in den Süden zu transferieren, in die reale Malaria-Welt. «Das Ziel war immer, Transmission Zero in Afrika aufzubauen, mit afrikanischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern und für Bedingungen, die vor Ort relevant sind», so Frédéric Tripet.

Resiliente Eigenschaften weitervererbt

In Tansania, am Ifakara Health Institute und dem National Institute for Medical Research, formiert sich bald eine Forschungsgruppe, die die Ergebnisse aus London fortführt: Sie arbeiten nicht mit Labormücken, sondern mit lokalen, wilden Mückenpopulationen. In diese bringen sie die malariabekämpfenden Genveränderungen ein. Diese genveränderten Mücken testen sie mit wilden Malariaparasiten, die in den lokalen Gemeinden zirkulieren.

Eine Person in einem weissen Kittel blickt in ein Mikroskop.
Legende: Forschende in Tansania haben im Labor eine Mückenart entwickelt, die dank einer Genveränderung immun ist gegen lokal zirkulierende Malariaparasiten. Diese Eigenschaft geben die Tiere an ihren Nachwuchs weiter. Die Hoffnung ist, auf diese Weise mit der Zeit die gesamte Mückenpopulation gegen Malaria zu immunisieren. Ifakara Health Institute

«Das funktionierte gut», sagt Tripet, «die Mücken waren gegen Malaria immun, und sie gaben diese Eigenschaft an ihren Nachwuchs weiter.»

Schnelle Verbreitung dank «Gene-Drive»

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Der resistente Mückenstamm in Tansania soll künftig mit einem sogenannten «Gene-Drive» kombiniert werden. «Gene-Drive» ist eine Methode, die dazu führt, dass sich ein bestimmtes genetisches Merkmal durch sexuelle Fortpflanzung schnell innerhalb einer Art durchsetzt.

Normalerweise haben Gene eine 50-prozentige Chance, von jedem Elternteil weitergegeben zu werden. Gene-Drive-Systeme können diese Chance bei einem ausgewählten Gen auf über 99 Prozente erhöhen.

Zu dieser beschleunigten Vererbung kommt es, weil sich das Gene-Drive-System aktiv von einem Chromosom auf seinen homologen Partner kopiert und so ein heterozygotes Individuum (eine Kopie des Gene-Drive) in ein homozygotes (zwei Kopien) verwandelt. Die Gene-Drive-Technologie hat sich vor allem dank der CRISPR-Genschere weiterentwickelt.

Aufgrund der Labortests seien sie zuversichtlich, dass dies in einem Feldversuch tatsächlich funktionieren könnte.

Die Mücken fliegen weiter über die Grenze, und es fragt sich: Soll man diese genetisch veränderten Mücken einfach so loslassen?
Autor: Niels Verhulst Forscher am Institut für Parasitologie der Universität Zürich

Niels Verhulst forscht am Institut für Parasitologie der Universität Zürich, er ist nicht an Transmission Zero beteiligt. Dessen Ansatz findet er bestechend: «Das Schöne dieser Methode ist, dass nicht die Mücken selbst, sondern die Parasiten in ihnen bekämpft werden, und dass sich dies von allein weiterverbreitet.»

Doch Verhulst äussert auch Bedenken: «Die Mücken fliegen weiter über die Grenze, und es fragt sich: Soll man diese genetisch veränderten Mücken einfach so loslassen?»

«Wehe, wenn sie losgelassen?»

Es ist die Kernfrage, die auch Frédéric Tripet beschäftigt. Transmission Zero könnte zwar eine Menge Probleme in der Malariabekämpfung auf einen Schlag lösen, es töne wunderbar auf dem Papier, aber: «Wir müssen die Leute informieren und sie überzeugen, dass das, was wir tun, sicher ist.»

Der nächste Schritt sei ein Feldversuch auf einer Insel mitten im Lake Victoria, erzählt Frédéric Tripet. Dort wolle man beobachten, wie sich die genveränderten Mücken in freier Wildbahn verhalten. Das Forschungsteam kooperiert mit den lokalen Behörden und erarbeitet auch Risikoszenarien. Bisher seien die Rückmeldungen positiv.

Echo der Zeit, 21.12.2025, 18:00 Uhr

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