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Gefahr im Blutgefäss Zeitbombe Aneurysma: Hoffnung auf ein Medikament zur Entschärfung

Aneurysmen sind ballonartig aufgeblasene Blutgefässe, die plötzlich platzen und zum Tod führen können. Auch wenn sie frühzeitig entdeckt werden, gibt es kaum Therapien. Ein japanischer Forscher will das ändern.

Für Betroffene ist es eine tickende Zeitbombe, dieses ballonartig aufgeblasene Blutgefäss im Kopf. Hirofumi Nakatomi kennt die Angst seiner Patientinnen und Patienten. Der Hirnchirurg am renommierten Riken-Forschungsinstitut in Japan operiert viele Menschen mit Aneurysmen – Aussackungen an Hirnarterien, die meist zufällig entdeckt werden und je nach Grösse platzen können.

Der Eingriff ist heikel, denn auch dabei könnte das Aneurysma reissen. «Meine Patienten wünschen sich nichts sehnlicher als eine sanftere, weniger riskante Therapie», sagt der Neurochirurg. Zum Beispiel mit einem Medikament.

Häufig, aber meist unbemerkt

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In der Schweiz haben über 3 Prozent der Erwachsenen und somit über 250'000 Menschen ein oder mehrere Aneurysmen im Hirn, oft ohne etwas davon zu spüren. Je nach Lage oder Grösse kann das Aneurysma aber reissen und eine Hirnblutung auslösen. Rauchen oder hoher Blutdruck verstärken dieses Risiko. Meist wird die Anomalie zufällig entdeckt, wenn vom Kopf aus irgendeinem Grund eine CT- oder MRI-Aufnahme gemacht wird. Ob dann das Aneurysma entfernt wird oder nicht, ist für Mediziner oft eine Zwickmühle: Will man einen scheinbar gesunden Patienten präventiv operieren – oder nimmt man das Risiko in Kauf, dass das Gefäss reisst?

Chirurgisch wird das Aneurysma mit einer winzigen Klammer, einem sogenannten Clip abgeklemmt. Daneben gibt es die Möglichkeit, mit Hilfe eines Katheters, der über einen kleinen Einschnitt in die Arterie eingeführt wird, die Aussackung mit einem «Coil» – einer winzigen Platin-Spirale – aufzufüllen. Bei beiden Eingriffen besteht ein gewisses Risiko, dass das Aneurysma platzt.

Diesem Ziel hat sich ein Team um Hirofumi Nakatomi genähert. Sie haben entdeckt, dass die Ursache der Aneurysmen sehr wahrscheinlich lokale Genveränderungen in den Blutgefässen sind, wie sie in einer Studie im Fachmagazin Science Translational Medicine schreiben.

Diese Erkenntnis verdankten sie der bahnbrechenden Technologie des Next Generation Sequencing, sagt Nakatomi. Er und sein Team hatten während Operationen 65 Aneurysma-Gewebeproben entnommen und aus den Zellen der Proben die gesamten Exome sequenziert; Exome sind jene DNA-Abschnitte, die dafür zuständig sind, dass ein bestimmtes Protein hergestellt wird. In der Analyse stiessen die Forscher auf Mutationen in 16 Genen. Zum Vergleich sequenzierten sie auch die Exome von gesunden Blutgefässen im Hirn – die Mutationen kamen nur in den Proben der Aneurysmen vor.

Weiter fanden sie heraus, dass ein Teil dieser Gene einen gemeinsamen biologischen Signalweg steuert – oder eben fehlsteuert –, der zentral ist für stabile Blutgefässe, der sogenannte NF-Kappa-B-Signalweg. Im nächsten Schritt blockierten die Forscher dieses fehlgesteuerte Signal in einem Mausmodell. Mit Erfolg.

Yvonne Doering ist Forschungsleiterin für Gefässerkrankungen am Inselspital und der Universität Bern. Doering ist von der Studie der japanischen Forschungskollegen beeindruckt: «Sie haben ein zentrales Gen ihrer Analyse und dessen mutierte Variante in die Maus eingeschleust, darauf hat die Maus in ihrem Hirn eine Aneurysma-ähnliche Struktur entwickelt ­– doppelt so gross wie die ursprüngliche Arterie.» 

Als Nächstes suchten die Forscher nach einem Wirkstoff, um das mutierte Gen zu blockieren. Auch das sei ihnen gelungen, so Yvonne Doering: «Das Experiment hat gezeigt, dass es möglich wäre, ein Hirn-Aneurysma medikamentös zu behandeln, statt zum Messer zu greifen.»

Wie realistisch ist das für den Klinikalltag? David Bervini ist Neurochirurg am Inselspital Bern und auf Eingriffe an Aneurysmen spezialisiert. Auch ihn hat die Arbeit der japanischen Kollegen überzeugt: «Diese Studie ist sehr hoffnungsvoll und öffnet die Tür zu einer möglichen künftigen Therapie.»

Ein Aneurysma an sich sei nicht in jedem Fall gefährlich, doch mit dem Risiko zu leben, dass es reissen könnte, sei für Patienten sehr belastend. «Hier könnte ein Medikament tatsächlich helfen», sagt David Bervini.

Hirofumi Nakatomi vom japanischen Riken-Institut plant bereits den nächsten Schritt: Er will eine klinische Studie aufgleisen und sucht derzeit Partner aus der pharmazeutischen Industrie. So hofft er, das bestmögliche Medikament zu finden. Auch wenn ihn das, wie er scherzend bemerkt, als Neurochirurgen seinen Job koste.

Wissenschaftsmagazin, 24.06.2023, 12:40 Uhr

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