Vor einigen Jahren schien die Tigermücke noch weit weg. «Damals wurden wir für unsere Arbeit belächelt», erinnert sich Pie Müller vom Schweizerischen Tropen- und Public Health-Institut (Swiss TPH). «Man tat die Mücke teils sogar als Hype ab.»
Seitdem hat sich die Lage gewandelt. Die schwarz‑weiss gemusterte invasive Art hat sich in verschiedenen Regionen der Schweiz etabliert und breitet sich in rasantem Tempo weiter aus.
Im Jahr 2003 wurde die Tigermücke erstmals im Tessin – und damit zum ersten Mal in der Schweiz – nachgewiesen. Seither hat sie sich im gesamten Kanton festgesetzt und breitet sich weiter aus. Vor allem entlang der grossen Verkehrswege: Die Mücke folgt uns Menschen zum Beispiel ins Auto, nutzt das als Mitfahrgelegenheit. So ist sie auch in Basel, Genf oder Zürich gelandet.
Folgen der Tigermücke jetzt die Tropenkrankheiten?
Im Vergleich zu einheimischen Mücken ist die tagaktive Tigermücke aggressiver. Sie ist aber nicht einfach nur lästig, sondern als Überträgerin von Chikungunya, Dengue und Zika gefürchtet. Viren, die eigentlich nur in tropischen Ländern vorkommen. Reiserückkehrer können die Krankheitserreger aber auch nach Europa einschleppen.
Das Chikungunya-Virus sorgt derzeit für besonderes Aufsehen: Diese Woche hat die Weltgesundheitsorganisation vor einer weltweiten Epidemie gewarnt. Kürzlich gab auch nahe der Schweizer Grenze ein Chikungunya-Fall zu reden: Bei Strassburg ist eine Person an der tropischen Krankheit erkrankt. Und zwar ohne zuvor ins Ausland gereist zu sein.
Zu einer solch lokalen Übertragung kann es kommen, wenn sich ein Reiserückkehrer in einem Risikogebiet angesteckt hat und dann in Europa von einer lokal angesiedelten Tigermücke gestochen wird. Die Mücke nimmt das Virus aus dem Blut auf und kann es beim nächsten Stich weitergeben.
Tigermücke erkennen
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Bild 1 von 3. Die Asiatische Tigermücke (Aedes albopictus) ist nach ihren schwarz-weiss gestreiften Beinen und Hinterleib benannt. Allerdings weisen andere invasive Mücken eine ähnliche Musterung auf. Das kann zu Verwechslungen führen. Bildquelle: Pie Müller/Swiss TPH.
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Bild 2 von 3. Zur Unterscheidung von anderen invasiven Arten hilft ein Blick auf den Rücken: Nur die Tigermücke hat diese deutliche weisse Linie, die von den Augen bis zum Rücken verläuft. Bildquelle: Nicolas Henon/TIGER Interreg V.
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Bild 3 von 3. Im Vergleich zu einer einheimischen Mücke (links) ist die Tigermücke deutlich kleiner. Der Vergleich mit einem Fünfrappenstück verdeutlicht, wie ungewohnt klein sie mit ihren 0.5 bis 1 Zentimetern ist. Bildquelle: KEYSTONE/Martial Trezzini.
Das Risiko einer Krankheitsübertragung hierzulande schätzt das Bundesamt für Gesundheit noch immer als sehr gering ein. «Grössere Ausbrüche sind unwahrscheinlich», so der Experte vom Swiss TPH, Pie Müller. «Zu einzelnen Fällen kann es aber durchaus kommen». Darauf bereiten sich jetzt auch Behörden mit Arbeitsgruppen und Massnahmenplänen vor.
Die Schweiz wacht aus dem Tigermücken-Schlaf auf
Man habe lange mit Massnahmen gewartet. «In den letzten paar Jahren hat sich aber viel getan», erkennt Pie Müller an. Mit den Tigermückenpopulationen sei auch das Bewusstsein in der Politik und der Bevölkerung gewachsen. Das kleine Insekt erhitzt die Gemüter, führt zu politischen Vorstössen.
Aufzuhalten sei die Tigermücke allerdings nicht mehr. «Zumindest mit den heutigen Massnahmen nicht.» Und auch wenn Projekte wie das aktuelle im Tessin, bei dem sterile Männchen ausgesetzt werden, für Hoffnung sorgen. Die goldene Lösung für alles sei das nicht. Sondern nur ein Puzzleteil.
«Der Beitrag der Bevölkerung bleibt zentral», insistiert Pie Müller. Umso mehr erfreut es ihn zu sehen, wie sich das Bewusstsein in der Bevölkerung verändert hat. «Vor rund zehn Jahren haben uns die Leute noch Bienen und Wespen gesendet, hinter denen sie Tigermücken vermuteten.» Heute sei die Trefferquote viel höher. Ein Zeichen dafür, dass sich auch die Bevölkerung sensibilisiert hat.
Weiterführende Links
Die Tigermücke ist in der Schweiz angekommen. Nicht nur in den Quartieren, auch bei Behörden, Politik und Bevölkerung.