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Psychokardiologie Herzinfarkt – Medizin mit Herz und Seele

Wer Probleme mit dem Herzen hat, ist in der Schweiz dank Spitzenmedizin bestens aufgehoben. Zumindest körperlich. Doch wenn die Psyche wegen Herzproblemen leidet, sind viele Patienten auf sich selbst angewiesen. Erst langsam findet ein Umdenken statt und wird der Seele mehr Platz eingeräumt.

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Wenn das Herz krankt, krankt der ganze Mensch. Das Herz ist das Zentrum. Wenn da was kaputt geht, ist alles aus. Kein Wunder, dass gemäss Studien die Hälfte aller Menschen mit Herzproblemen dies als starke psychische Belastung empfindet und jeder fünfte sogar eine psychische Störung entwickelt.

Typische Störungen sind Schlaflosigkeit; Angst- und Panikattacken, Depression, Verunsicherung, psychosomatische Schmerzen in der Brust wie beim Infarkt sowie wiederkehrende Erinnerungen an den Infarkt.

Eine Hauptursache, dass solche Ängste verschleppt werden, liegt paradoxerweise in der Spitzenmedizin, die Herzinfarkte verhindert. Heute werden verengte Herzkranzgefässe früh erkannt und können binnen kürzester Zeit «geflickt» werden. Ein Eingriff im Herzkatheter-Labor dauert meist nicht mehr als eine Stunde. Dann sind verengte Stellen mit Ballönchen oder Stents ausgeweitet, so dass das Blut wieder fliessen und das Herz mit Sauerstoff versorgen kann.

Vernachlässigte Psyche

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Ein Patient ist heute zum Teil 24 Stunden nach der Einlieferung ins Spital körperlich repariert wieder zu Hause. Es bleibt keine Zeit, das Geschehene zu verarbeiten oder sich auch nur damit auseinanderzusetzen. Auf den Kardiologen im Spital wartet meist schon der nächste Notfall – auch ihm bleibt kaum Zeit für ein beratendes Gespräch mit dem Patienten. Und sei es nur, diesen darauf vorzubereiten, dass auf der psychischen Ebene auch nach gelungenem Eingriff die Verarbeitung erst beginnt.

In der Schweiz wird dieser psychischen Bewältigung der Herzprobleme immer noch viel weniger Gewicht beigemessen als der körperlichen Seite der Rehabilitation. Dies ist umso erstaunlicher, als man weiss, dass psychischer Stress und Depression das Risiko für ein erneutes Herzereignis drastisch erhöhen. Und zwar gleich stark wie hoher Blutdruck oder Rauchen. Es gibt Studien, die besagen, dass Herzstress einem Risiko von täglich 20 Zigaretten entspricht.

Prof. Christoph Herrmann-Lingen führt die Psychokardiologische Klinik am Universitätsspital in Göttingen. Er hat 2004 als erster in Deutschland einen Lehrstuhl für Psychokardiologie erhalten. Hermann-Lingen war ursprünglich Kardiologe und hat sich zum Psychotherapeuten weitergebildet. In Göttingen gibt es auch Kurse, die diese beiden Disziplinen verbinden. Im Interview mit «Puls» gibt er Einblicke in seine Tätigkeit und Philosophie.

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