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Hoffnung gegen Superkeime Neues Antibiotikum entwickelt

Ein neuer Ansatz soll antibiotikaresistente Spitalkeime bekämpfen. Erste Erfolge wurden im Labor und bei Mäusen erzielt.

Der Basler Pharmakonzern Roche entwickelt einen Wirkstoff, der antibiotikaresistente Bakterien bekämpfen soll. Das Antibiotikum «Zosurabalpin» zeigt vielversprechende Ergebnisse, bis zur Anwendung in der Praxis ist es aber noch weit.

Neues Antibiotikum gegen Spitalkeime

Vor rund 80 Jahren wurde das erste Antibiotikum entdeckt: Penicilin. Damit wurden einst tödliche Bakterielle Infekte heilbar. Weitere Antibiotika folgten, sie galten als Allzweckwaffe gegen Keime. Heute aber sind Antibiotikaresistente Bakterien weltweit eine grosse gesundheitliche Bedrohung. Sie verursachen Todesfälle, verlängern Spitalaufenthalte und erhöhen die Gesundheitskosten.

Laut einer in der Fachzeitschrift Nature publizierten Studie wirkt das neue Antibiotikum gegen Acinetobacter baumannii – ein typischer Krankenhauskeim, der Lungenentzündungen auslösen kann.

Es sind mehr als 50 Jahre vergangen, seit die letzte eigenständige Klasse von Antibiotika eingeführt wurde, die in der Lage ist, Infektionen durch gramnegative Bakterien zu behandeln
Autor: Michael Lobritz Roche

Das neue Antibiotikum greift ein neues Ziel an und wirkt: Zumindest im Labor und bei Mäusen reduziert es die Bakterienzahl.

So wirkt Zosurabalpin

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Acinetobacter Baumannii gehört zu den «gramnegativen» Bakterien, die von einer inneren und einer äusseren Membran umgeben sind. Für die meisten Antibiotika sind sie nur schwer zu überwinden.

Zosurabalpin gehört zu einer neuen chemischen Klasse von Antibiotika, den sogenannten gebundenen makrozyklischen Peptiden. Konkret hemmt der Wirkstoff den Transport des Moleküls Lipopolysaccharid (LPS) zur äusseren Schicht der Membran der Bakterien. Die Hemmung dieses Transports führt dazu, dass sich LPS auf toxische Niveaus innerhalb der Zelle anhäuft, was letztendlich zum Zelltod führt. Dies sei eine neue Art, um gegen Bakterien zu kämpfen, so die Autoren. Deshalb hatten Bakterien bisher nicht die Gelegenheit, Resistenzmechanismen gegen dieses Molekül zu entwickeln.

«Es sind mehr als 50 Jahre vergangen, seit die letzte eigenständige Klasse von Antibiotika eingeführt wurde, die in der Lage ist, Infektionen durch gramnegative Bakterien zu behandeln», sagt der an der Studie beteiligte Michael Lobritz von Roche.

In einer klinischen Studie der Phase 1 werde nun die Sicherheit, Verträglichkeit und Wirkung am Menschen untersucht.

Ist das der Durchbruch?

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Wissenschaftsredaktor Christian von Burg ordnet ein.

Warum sind diese resistenten Keime überhaupt so ein grosses Problem?

Es gibt immer mehr Keime, die gegen verschiedene Antibiotika resistent sind. Und wenn dann gar keines mehr wirkt, dann kann das tödlich enden. In der Schweiz sterben jedes Jahr etwa 300 Menschen, an solchen multiresistenten Keimen, weltweit sind es gemäss jüngsten Schätzungen mindestens 1,2 Millionen Menschen und es droht noch deutlich schlimmer zu werden: Expertinnen und Experten sprechen nämlich von einem der grössten Gesundheitsprobleme der Zukunft. Die WHO rechnet bis 2050 von jährlich bis zu 10 Millionen Toten pro Jahr wegen fehlender Antibiotika, wenn nicht schnell gehandelt wird.

Jetzt haben Forschende von Roche in Basel einen neuen Wirkstoff entwickelt, der auch gegen diese Keime wirken soll. Die Fachzeitschrift «Nature», die die Studie publiziert hat, bezeichnet die Ergebnisse als «vielversprechend». Ist das also DER Durchbruch im Kampf gegen Antibiotika-Resistenz?

Nein, das kann man so nicht sagen. Der neue Wirkstoff ist erst im Labor an Mäusen getestet worden und hat da gewirkt. Jetzt wird das neu entwickelte Antibiotikum in einer ersten kleinen Studie an Menschen getestet. Aber Mäuse und Menschen unterscheiden sich deutlich und wir erleben es immer wieder, dass Wirkstoffe, die bei Mäusen funktionierten beim Einsatz im Menschen nicht funktionieren, oder es gibt unannehmbare Nebenwirkungen. Der neue Wirkstoff von Roche ist also noch kein Durchbruch – aber es ist ein Hoffnungsschimmer.

Was ist der Unterschied des neuen Wirkstoffs zu Medikamenten, die es schon gibt, aber gegen die manche Bakterien eben resistent sind?

Der Wirkstoff gehört zu einer neuen chemischen Klasse von Antibiotika. Er hemmt den Transport des Moleküls Lipopolysacharid zur äusseren Zellmembran der Bakterien. Wenn dieser Transport gehemmt wird, wird das über die Zeit tödlich für das Bakterium. Dieser Ansatz sei eine neue Art, die schädlichen Bakterien zu bekämpfen, sagen die Autoren der Studie. Und das macht diesen Wirkstoff natürlich besonders interessant, weil die Bakterien noch nicht lernen konnten, diesen Trick zu umgehen.

Wie weit entfernt ist man von der Anwendung bei Menschen?

Jetzt laufen die ersten Versuche an gesunden Menschen – in kleinen Gruppen. Wenn sich keine wesentlichen Nebenwirkungen zeigen, wird das Antibiotikum in einer zweiten Phase an Patientinnen und Patienten getestet – erst an wenigen Hunderten, wenn es sich bewährt an Tausenden – das alles dauert Jahre. Und es ist, wie gesagt, noch völlig unklar, wie das dann herauskommt. Die meisten grossen Pharmaunternehmen haben die Entwicklung neuer Antibiotika eingestellt, weil das insgesamt sehr schwierig ist, weil es hohe Risiken gibt und weil sie wenig Gewinn damit machen. In früheren Fällen wurden deshalb vielversprechenden Projekte auch wieder gestoppt – weil es sich wirtschaftlich nicht gelohnt hat.

Antibiotika-Resistente Bakterien sind weltweit ein grosses Problem – macht es denn Sinn, immer wieder neue Antibiotika-Medikamente zu entwickeln – oder müsste man nicht den Einsatz von Antibiotika generell reduzieren?

Man muss beides tun. Es stimmt schon: Indem wir Antibiotika zu oft eingesetzt haben – in der Human-, aber auch in der Tiermedizin, haben sich die Resistenzen viel schneller entwickelt, als das eigentlich nötig gewesen wäre. Und das ist weiterhin so – trotz zahlreicher Gegenkampagnen. Oft verschreiben Ärztinnen und Ärzte zu schnell ein Antibiotikum – oder die Patientinnen und Patienten wollen es unbedingt – auch wenn es – gegen Viren zum Beispiel überhaupt nichts nützt. Aber Bakterien entwickeln über kurz oder lang neue Resistenzen – das lässt sich nicht grundsätzlich verhindern – es braucht also auch laufend neue Antibiotika.

Das Gespräch führte Silvia Staub.

SRF 4 News, 08.01.2024, 07:20 Uhr

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