Taurin! Ein Wort, wie aus der Stierkampfarena!
Die Aminosulfonsäure Taurin steht für Leistungssteigerung, kraftstrotzende Energie – und in jüngerer Zeit auch für ein langes Leben. Vor zwei Jahren nämlich publizierte der indisch-stämmige Wissenschaftler Vijay Yadav aufsehenerregende Ergebnisse, die genau das versprachen.
Die Studie schlug ein wie eine Bombe. Rund um die Welt berichteten die Medien über das neue Langlebigkeits-Elixier – und die Umsätze von Taurin gingen durch die Decke. Allerdings hatten die Ergebnisse einen Haken: Sie stammten vorwiegend von Tieren.
Welche Rolle die Substanz beim alternden Menschen spielt, war zu wenig erforscht. Dies hat ein Wissenschaftsteam des National Institute on Aging der NIH in Baltimore, USA, nun nachgeholt.
Der Taurinspiegel sinkt nicht im Alter
Für die neue Studie hätten sie all ihre Daten im Längsschnittverfahren analysiert, erklärte Autorin Maria Emilia Fernandez in der Medienkonferenz. Längsschnitt heisst, die Forschenden massen die Taurinkonzentrationen mehrmals im Lauf der Zeit, und zwar bei drei verschiedenen Testgruppen: bei Rhesusaffen und Mäusen beiderlei Geschlechts sowie bei knapp 1000 Frauen und Männern aus drei unterschiedlichen Kohorten. Das Ziel war herauszufinden, wie sich die Menge an Taurin im Blut über die Lebensspanne verhält.
Aufgrund dieser Ergebnisse kommen wir zum Schluss, dass niedrige Taurinkonzentrationen im Blut kein Biomarker für das Altern sind.
Die Resultate widersprechen der früheren Studie von Vijay Yadav diametral: Taurin nimmt mit dem Alter nicht ab – weder bei Rhesusaffen noch bei Mäusen, und auch nicht beim Menschen. Im Gegenteil: Bei allen Testgruppen zeigte sich über die gesamte Lebensspanne ein Anstieg des Taurinspiegels, ausser bei männlichen Mäusen und Männern in einer der Querschnittsstudien.
Den Anstieg des Taurins stellen die Forschenden bei den Versuchspersonen ab etwa 60 Jahren fest. «Aufgrund dieser Ergebnisse kommen wir zum Schluss, dass niedrige Taurinkonzentrationen im Blut kein Biomarker für das Altern sind», sagt Fernandez.
Zurück zu den Basics
Möglicherweise ist Taurin weniger ein Biomarker für das Altern, sondern eher ein Biomarker für bestimmte Krankheiten. Doch selbst solche Zusammenhänge seien nicht widerspruchsfrei: «Bei Diabetikern oder fettleibigen Patientinnen zum Beispiel sinkt der Taurinspiegel im Vergleich zu Kontrollgruppen, bei Patienten mit schwerer Fettleibigkeit hingegen kommt es zu einem Anstieg», führt die Forscherin aus.
Auch bei Krebs würden sich die Taurinkonzentrationen je nach Art der Krebserkrankung unterscheiden: «Bei Leukämie zum Beispiel steigen sie. Bei Brustkrebs oder Schilddrüsenkrebs hingegen nimmt das Taurin im Blut ab.»
Das meiste, was Taurin im Körper bewirke, habe man schlicht noch nicht verstanden, sagt Fernandez. Man müsse also die Basics studieren.
Klinische Studie mit Ergänzungsmittel
Derweil verfolgt Vijay Yadav, der Autor der ersten Science-Studie, nun ganz konkrete Ziele: Er führt zurzeit eine kontrollierte Studie an Menschen mit Taurin als Anti-Aging-Mittel durch. Ergebnisse erwartet der Forscher Ende 2025.
Es werde sich hoffentlich weisen, sagt er, ob die Taurin-Supplementierung die Fitness verbessern und den Alterungsprozess doch verlangsamen könne. Der Traum vom langen Leben und vielleicht auch guten Geschäften – er ist noch nicht ausgeträumt.