Masern galten lange als harmlose Kinderkrankheit. Doch das hochansteckende Virus kann tödlich sein und schwerwiegende Komplikationen verursachen. «Jedes fünfte infizierte Kind muss hospitalisiert werden», erklärte WHO-Impfdirektorin Kate O'Brien vor den Medien. «Masern können zum Beispiel Hirninfektionen verursachen, die noch Jahre nach der Infektion zu bleibenden Hirnschäden, Taubheit und Blindheit führen können.» Das gelte besonders für kleine Kinder, schwangere Frauen und Immungeschwächte.
Schwächung des Immunsystems
Masern lösen zudem eine Art «Immun-Amnesie» aus: Die Viren löschen unser Immungedächtnis fast komplett aus. Betroffene Kinder müssen ihr erworbenes Abwehrsystem wieder von Grund auf neu aufbauen, sie sind somit wieder neu empfänglich für eine Vielzahl von Krankheitserregern.
Zurzeit sind gemäss WHO rund 30 Millionen Kinder ungenügend vor Masern geschützt. Drei Viertel dieser Kinder leben in Ländern Afrikas oder im Nahen Osten. «Am meisten gefährdet sind Kinder in instabilen Krisenregionen», sagt Kate O’Brien.
Gründe für Masern-Rückkehr
Zum Beispiel der seit zwei Jahren kriegsgebeutelte Gazastreifen: Jedes fünfte Kind unter fünf Jahren ist während des Krieges nie oder nur unzureichend geimpft worden. Die WHO hat deshalb Anfang November eine umfangreiche Impfkampagne im Gazastreifen gestartet.
Ein anderer Grund, weshalb sich Masernausbrüche häufen, sind die Spätfolgen von Covid-19. Nach dem Impf-Effort während der Pandemie ist die Infrastruktur für die übrigen Impfprogramme mancherorts zusammengebrochen. Dort fehlt es heute an finanziellen Mitteln, an Gesundheitspersonal und an der Logistik, um Routine-Impfungen so durchzuführen wie vor der Pandemie.
Schliesslich spielten auch Falschinformationen oder gar gezielte Desinformationen zum Impfen eine gewichtige Rolle: «Stimmen, die falsche Informationen verbreiten, gibt es schon so lange, wie es Impfstoffe gibt», sagt die WHO-Direktorin. «Neu sind jedoch das Ausmass und die Geschwindigkeit, in denen diese Informationen vor allem über soziale Medien verbreitet werden.»
Die Rolle der USA
Zum Einfluss der USA bei diesem Thema hält sich die WHO-Impfdirektorin bedeckt. Auf die Frage, ob sie besorgt sei angesichts wiederholter Masernausbrüche und der wachsenden Impfskepsis in den USA, sagt sie lapidar: «Die WHO sorgt sich um jedes Land, das einmal masernfrei gewesen ist und jetzt wieder zurückfällt.»
Masernausbrüche deuten darauf hin, dass es auch bei anderen Infektionskrankheiten Impflücken gibt, etwa bei Diphtherie, Keuchhusten oder Polio.
Weniger diplomatisch äussern sich WHO-unabhängige Stimmen wie etwa der Infektiologe Jan Fehr von der Universität Zürich: «Die offen bekundete Impfskepsis der amerikanischen Regierung ist hochproblematisch», sagt er. Es werde ein Narrativ verbreitet, das weit über die USA hinaus in andere Länder ausstrahle. «Dadurch wird Impfskepsis salonfähig, und manche Regierungen fühlen sich vielleicht verleitet, Impfprogramme nicht mehr wirklich zu unterstützen», so Jan Fehr.
Diese Entwicklung will die WHO unter allen Umständen verhindern. Masernausbrüche seien wie ein Feueralarm, sagt WHO-Impfdirektorin Kate O'Brien: «Sie deuten darauf hin, dass es auch bei anderen Infektionskrankheiten Impflücken gibt, etwa bei Diphtherie, Keuchhusten oder Polio.»
Und leider höre man vielerorts auf der Welt die Alarmglocken schon läuten.