Triathlon unter sengender Sonne, Ultratrail, Ironman, Bergläufe – Extremsportanlässe werden immer beliebter. Warum macht man das? Ein Besuch beim Inferno-Halbmarathon in Lauterbrunnen, wo Amateursportlerinnen und -sportler 21 Kilometer aufs Schilthorn laufen und dabei 2175 Höhenmeter zurücklegen, soll Antworten liefern.
Um überhaupt in der Lage zu sein, die extreme Laufstrecke zu meistern, braucht es viel Vorbereitung. Drei bis viermal in der Woche Laufen, 10 bis 15 Stunden, 70 bis 100 Kilometer geben Athletinnen und Athleten als Trainings-Pensum an.
Verletzungen und Schmerzen gehören dazu
Bei soviel Training steigt das Risiko, den Körper zu überfordern und Verletzungen zu riskieren.
Sehr hoch ist das Verletzungsrisiko bei den Ultratrails, der weltweit durchgeführten Goldentrail-Serie. Die technisch anspruchsvollen Strecken führen nicht nur den Berg hoch, sondern auch auf teilweise extrem steilem und rutschigem Geländer hinunter.
Das Vater-Sohn-Duo Frédéric und Matéis Dusanter reizt vor allem, dass sie sich am Goldentrail-Finale im Tessin mit den besten der Welt messen können. Fréderic startet mit Schmerzen in Knien und Knöcheln, Matéis mit einem geschwollenen, verstauchten Fuss.
«Wir haben das Ziel, bis zum Ende zu gehen, also gehen wir bis zum Ende – um jeden Preis. Ich weiss, dass wir unserem Körper nichts Gutes tun. Aber wir bringen zu Ende, was wir uns vorgenommen haben.» Sportlicher Ehrgeiz ohne Rücksicht auf Verluste – damit sind sie nicht die einzigen.
Der professionelle Ehrgeiz der Amateure
Im Zentrum für Sportmedizin im Spital La Tour in Genf registriert man immer mehr Verletzungen von ambitionierten Amateur-Sportlern. Sie streben Leistungen wie Profis an, ohne ein professionelles Umfeld zu haben, stellt Sportmediziner Boris Gojanovic fest.
«Die Amateure werden immer professioneller, ohne Profis zu sein. Sie haben einen Job nebenbei. Oft nicht die Mittel richtig zu trainieren: Sie haben weder das Umfeld noch das Coaching und alles, was man bräuchte. Sie sind keine Profis, streben aber nach Leistungen in der Grösse XXL.»
Wenn die Leidenschaft zur Sucht wird
Der sportliche Ehrgeiz kann schnell n die Sucht führen. Berichte von Betroffenen mit Sportsucht zeigen: Der Weg aus der Sucht ist lang, manchmal brauchen sie mehrere Anläufe unter therapeutischer Begleitung.
Betroffene merken zwar, dass die eigene Sportroutine dem Körper nicht mehr guttut, haben aber die Kontrolle verloren und trainieren trotzdem weiter: «Sie brauchen den Sport, um sich ausgeglichen zu fühlen», sagt Flora Colledge, die selbst erfolgreiche Extrem-Triathletin ist und an der Uni Luzern zu Sportsucht geforscht hat.
Sportsucht: Enorme Belastung für Betroffene und ihre Familie
Fällt ein Training aus, ist das für Betroffene fatal: «Sie haben depressive Gedanken, sind enorm gereizt und gestresst», beschreibt die Forscherin typische Symptome bei Sportsucht.
Flora Colledge empfiehlt, das eigene Sportverhalten spätestens zu hinterfragen, «wenn Sie merken, dass der Sport nicht mehr Stresspuffer ist, sondern selbst zur Stressquelle wird.» Denn, wenn der Sport die oberste Priorität im Leben ist, führe das häufig auch zu Konflikten im sozialen Umfeld.
Spätestens dann verfehlt der Sport seinen ursprünglichen Sinn und Zweck: Der Gesundheit dienen.