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Hypnosetherapie Wie Hypnose gegen Ängste helfen kann

Angstzustände und Phobien sind vermehrt ein Problem in der Gesellschaft – die Corona-Pandemie hat das noch verschärft. Angst hindert und lähmt, Betroffene sind im Alltag stark beeinträchtigt. Hypnose ist ein Mittel, um solchen Ängsten anders zu begegnen.

Die Psychologin Barbara Schmidt beschäftigt sich seit Jahren wissenschaftlich mit dem Thema Angst und erforscht Möglichkeiten im Bereich der Hypnose.

Barbara Schmidt

Hypnose-Forscherin

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Dr. Barbara Schmidt ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Psychosoziale Medizin, Psychotherapie und Psychoonkologie der Universitätsklinik Jena. Sie beschäftigt sich in ihrer Forschung mit den Auswirkungen positiver Suggestionen und Hypnose auf Angst und Stress in Gehirn und Körper. Sie wendet Hypnose auch selbst an. Ihr jüngst publiziertes Buch zum Thema trägt den Titel: «Angst? Frag doch einfach! Klare Antworten aus erster Hand.», erschienen im Verlag UTB.

SRF Wissen: Frau Schmidt, Sie behandeln Ängste mit Hypnose. Warum haben Sie sich für diese Methode entschieden?

Barbara Schmidt: Unter Hypnose sind Vorstellungen, die Ängste auslösen können, besonders gut zugänglich. Das liegt daran, dass sich Vorstellungen auf einer unterbewussten Ebene wie automatisch abspielen. Und an diese Ebene kommen wir im Wachzustand fast nicht heran.

Unter Hypnose ist man dann sehr empfänglich für gezielte Vorschläge und Veränderungen, natürlich unter der Voraussetzung, dass ein Vertrauensverhältnis zwischen Hypnotiseurin und Hypnotisierten besteht.

Wie gehen Sie in der Hypnosetherapie gegen Ängste genau vor?

Zunächst finde ich im Gespräch heraus, wie sich die Angst äussert. Erst danach gehe ich zur Hypnose über. Bei der Hypnose-Intervention gegen Angst vertraue ich auf eine Methode, die ich «den sicheren Ort» nenne. Jede und jeder hat einen Ort, an dem man sich sicher und geborgen fühlt. Und diesen gilt es, sich vorzustellen. Das Unterbewusstsein weiss genau, was oder wo dieser Ort ist.

Diese Sicherheit bildet die Basis für alles, was danach passiert: Wer sich so sicher fühlt, kann mutig werden, sich seinen Ängsten stellen und sie bewältigen.

Was könnte Hypnose hier leisten?

Angst und Stress beeinflussen Schmerzen; und das kann weitreichende Auswirkungen auf unsere Gesundheit haben. Wenn ich nun in der Lage bin, Stress zu reduzieren, und sogar durch eine Massnahme, die in mir selbst liegt, hat das gewaltiges Potenzial. Ich bin ich sehr sicher, dass wir dadurch viele Krankheitsbilder besser verstehen können.

In einem aktuellen Projekt untersuchen Sie auch, wie Hypnose bei Prüfungsangst helfen kann?

Genau. Aufgrund meiner Erfahrungen habe ich ein Skript erstellt, von dem ich denke, dass damit jede und jeder in Hypnose gelangen kann.

Mein Forschungsteam und ich testen nun solche Skripte an Schülerinnen mit Prüfungsangst hier in Thüringen: Dabei kann die Intervention als Audiodatei selbst angehört werden. Wir überprüfen dann, ob und wie sich Prüfungsergebnisse und Stresslevels der Probanden vor und nach einer Intervention verändern. Diese Forschung läuft noch.

Hypnose-Effekte auf der Intensivstation

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Klare Belege habe Barbara Schmidt auf Intensivstationen gesammelt. Dort sind die Leute per se schon in einer beängstigenden Situation, oft zwischen Leben und Tod.
Ein Problem stellt oft die künstliche Beatmung dar: Die Menschen kriegen eine Maske aufs Gesicht gedrückt, die sehr eng ist und einem die Luft in die Lunge hineindrückt.

Wer versucht, gegen diese Maske zu atmen, hat keine Chance – das könne sich anfühlen wie Ersticken. Leute, die schon schlechte Erfahrungen damit gemacht haben, können eine Angst vor dieser Maske entwickeln. Sie ist aber notwendig, um den Sauerstoffgehalt im Blut zu erhöhen.

Solche Patienten begleitete Schmidt mit der Technik des «sicheren Ortes»: Wenn sich die Patienten während der Beatmung den sicheren Ort vorstellen konnten, hätten sie sich nachweislich schneller entspannt und konnten die Beatmung sehr viel besser annehmen, so die deutsche Forscherin.

Einen weiteren Anwendungsbereich von Hypnose sieht sie darin, dass Vollnarkose in weniger Fällen bei Kindern angewendet wird. Denn Schmidt stört sich daran, dass Kinder zum Teil immer noch für ein MRT in Vollnarkose versetzt werden. Das sei sehr belastend für den Körper.

Stattdessen könne man die Angst vor der Röhre dank Hypnose nehmen: Beispielsweise den Kindern suggerieren, sie gingen hier auf eine Weltraum-Mission in einer Rakete und das ganze Prozedere wäre ein Abenteuer. Da könne man ganz viele Ressourcen aktivieren – gerade bei Kindern, die sehr gut auf Suggestionen ansprechen – und damit eine Narkose überflüssig machen, sagt Schmidt.

Gibt es gar eine Angst vor der Hypnose?

Ja, das kann vorkommen: Das Gefühl, keine Kontrolle zu haben, erzeugt eine Angst vor der Hypnosesitzung. Ich erkläre dann, dass es bei der Hypnose nicht darum geht, Kontrolle aufzugeben. Im Gegenteil: Dank Hypnose kann man Kontrolle wiedererlangen. Denn im Zustand der Angst hat man nämlich keine Kontrolle über seine Verhaltensweisen mit der Angst umzugehen – das können wir ändern mit Ressourcen, die in uns selbst liegen. Was könnte mehr Kontrolle bedeuten?

Hypnose zeigt eindrücklich auf, wozu wir selbst in der Lage sind.

Längerfristige Wirksamkeit von Hypnose

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Barbara Schmidt arbeitet auch mit sogenannten «post-hypnotischen Suggestionen» – also Suggestionen, die über die Hypnose hinaus abrufbar sind – und testet damit die langfristige Wirksamkeit von Hypnose.

Die Methode: Während der Hypnose fordert sie Patienten auf, ein «S» für Sicherheit auf einen Zettel zu schreiben, wenn sich die Person sicher fühlt. Später, wenn die Person den Zettel erneut anschaue, werde sie sofort das gleiche Gefühl haben.

Selbst Wochen nach der Hypnose würden Patienten dieselbe Sicherheit verspüren, wenn sie nur schon den Zettel betrachten. Dies zeige die nachhaltigen und längerfristigen Effekte, die eine Hypnosetherapie haben könne, so Schmidt. Solche Effekte gelte es noch weiter zu erforschen.

Das Gespräch führte Christian Bachmann.

SRF 1, Einstein, 03.06.2022, 21:05 Uhr ; 

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