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Schicksal Frühdemenz Demenz in jungen Jahren – der Kampf gegen das Vergessen

Die Diagnose Demenz lässt das Leben stillstehen, nichts ist mehr, wie es war. Menschen unter 65 trifft es besonders hart: Sie stehen noch mitten im Leben und plötzlich am Abgrund. So wie Susanne, 55, deren berufliche Krise sich als beginnende Alzheimer-Erkrankung entpuppte.

Als sie ihr Beruf als Coach immer mehr stresste, vermutete Susanne ein Burnout, eine Depression oder Auswirkungen der Menopause. In der Klinik wollte sich die 55-Jährige erholen – und kam mit der Diagnose «Alzheimer-Demenz» zurück. Seither ist nichts mehr, wie es war.

Susannes Reaktion auf die niederschmetternde Diagnose: nicht aufgeben! Das Beste draus machen und mit ihrem Partner Roman ein gutes Leben führen, solange es geht. Reisen stehen noch auf der Bucket List, zum Beispiel nach Mauritius oder zu den Nordlichtern. Delfinschwimmen in den USA haben sie im Sommer bereits abgehakt.

Auch sonst ist Susanne aussergewöhnlich aktiv: Fitness, Boxen, Dancing, Yoga. Sie lernt Golf und geht in die Logopädie. Lauter Aktivitäten, die Körper und Hirn trainieren und so den Verlauf ihrer Demenz verlangsamen sollen.

Unter Demenz versteht man alle Krankheiten, die zum Abbau geistiger Fähigkeiten führen. Alzheimer ist die bekannteste und am weitesten verbreitete Form. Protein-Ablagerungen führen dazu, dass die Kommunikation unter den Gehirnzellen gestört wird.

Abbau geistiger Fähigkeiten

Bei Susanne wurde diese Alzheimer-Demenz diagnostiziert. Sie befindet sich in einem frühen Stadium der Krankheit und spürt den Abbau vor allem in nachlassenden sprachlichen Fähigkeiten.

Was ist Demenz?

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Symbolbild
Legende: SRF

Die meisten Demenzbetroffenen erkranken nach dem 65. Lebensjahr. 2024 erhielten in der Schweiz 157’000 Personen die Diagnose. Davon waren etwa 7800 oder fünf Prozent jünger als 65 Jahre.

Demenz ist der Oberbegriff für Krankheiten, die zum Abbau von geistigen Fähigkeiten führen. Alzheimer ist die bekannteste und am weitesten verbreitete Form. Die Proteine Amyloid und Tau spielen eine wichtige Rolle:

  • Beta-Amyloid: Dieses Eiweiss umhüllt die Gehirnzellen oder Neuronen als sogenannte «Plaques» und stört die Kommunikation zwischen den Zellen.
  • Tau-Protein: Dieses Eiweiss bildet Fäden – sogenannte «Fibrillen» und zerstört die Zellen von innen.

Das betrifft vor allem die Bereiche, die für das Gedächtnis, die Orientierung und die Sprache wichtig sind.

Bei Menschen, die vor dem 65. Lebensjahr an Demenz erkranken – 2024 traf dies in der Schweiz auf 7800 der 157’000 Diagnosen zu – tritt oft die Variante «Frontotemporale Demenz» auf. Diese führt häufig zu Veränderungen der Persönlichkeit und ebenfalls zur Verschlechterung der sprachlichen Fähigkeiten.

Alarmierend wird Vergesslichkeit, wenn sie sich auch in entspannten Phasen häuft und man sie nicht mehr kompensieren kann.
Autor: Ansgar Felbecker Neurologe

Vergesslichkeit und Wortfindungsstörungen kennen wir alle. Auch, dass sie mit dem Älterwerden zunehmen. Der Neurologe Ansgar Felbecker von der Memory Clinic St. Gallen Centrum bestätigt diese Wahrnehmung: «Wenn wir mal in einer super stressigen Phase waren, im Beruf oder auch familiär, und dann noch schlecht geschlafen haben, dann wird jeder von uns vergesslicher sein. Wir alle werden manchmal Sprach- oder Wortfindungsstörungen haben.»

Alarmierend wird es laut Felbecker dann, wenn sich das auch in entspannten Phasen häuft. Wenn man ohne Stress Termine oder Rechnungen vergisst. Und wenn man das nicht mehr kompensieren kann.

Unterstützung vom Partner

Susanne ist kognitiv noch in einem guten Zustand. Sie bewegt sich selbständig mit dem ÖV durch die ganze Schweiz, hält auch Termine ein. Beim Schreiben von Mails stösst sie aber immer häufiger an ihre Grenzen. Ihr Trick: wenn sie sich das Geschriebene laut vorliest, hört sie ihre Fehler und kann sie selbst korrigieren.

Das Administrative hat die 55-Jährige ihrem Partner Roman übergeben. Dieser ist ihr eine grosse Hilfe: Sie wohnen mittlerweile zusammen in seiner Wohnung. Er unterstützt sie im Alltag, wo immer nötig. Dies, obwohl sie sich noch keine zwei Jahre kennen.

Hoffnungsträger Lecanemab

Neben all ihren sportlichen und geistigen Aktivitäten setzt Susanne auch auf eine neue Hoffnung: das Demenz-Medikament Lecanemab. Dieses kommt nur für einen kleinen Kreis der Betroffenen infrage, weil es falsch angewendet zu schweren Nebenwirkungen wie Hirnschwellungen und Hirnblutungen führen kann.

Die Abklärungen haben ergeben, dass Susanne die genetischen Voraussetzungen erfüllt, um das neue Medikament einzunehmen. Auch dank ihres Alters und des frühen Stadiums der Krankheit ist sie prädestiniert dafür. Jetzt gilt es abzuwarten, bis das Medikament in der Schweiz zugelassen wird.

Susanne hofft auf eine baldige Zulassung, denn obwohl sie im Alltag noch recht gut funktioniert, merkt sie doch, dass der Abbau voranschreitet.

Lecanemab und Donanemab

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Lecanemab und Donanemab sind neue Alzheimer-Medikamente, die den Abbau der kognitiven Fähigkeiten verlangsamen. Sie reduzieren die Amyloid-Plaques im Gehirn, welche die Demenz verursachen. Sie greifen die Plaques unterschiedlich an.

  • Lecanemab zielt auf die Vorstufen ab und wird alle zwei Wochen mittels einer Infusion verabreicht.
  • Donanemab zielt auf die bestehenden Plaques ab und wird alle zwei Wochen mittels einer Infusion verabreicht.

Beide Medikamente sind für Menschen im Frühstadium von Alzheimer-Demenz gedacht und können Nebenwirkungen wie Hirnschwellungen oder Hirnblutungen verursachen – sogenannte Amyloid-assoziierte Bildgebungsanomalien. Aus diesem Grund müssen Betroffene regelmässige MRT-Kontrollen über sich ergehen lassen.

In den USA und seit dem Sommer auch in der EU sind beide Medikamente zugelassen. In der Schweiz ist Swissmedic noch in der Prüfphase. Über einen allfälligen Zulassungstermin ist noch nichts bekannt.

Für Susanne ist Aufgeben keine Option. Obwohl sie das Fortschreiten der Krankheit nicht verdrängen kann, steckt sie ihre ganze Energie in den Kampf gegen die Demenz. Sie lebt in der Gegenwart, konzentriert sich auf das, was noch geht. «Aufgeben? Nein!»

SRF 1, Puls, 27.10.2025, 21:05 Uhr; noes

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