Als sie ihr Beruf als Coach immer mehr stresste, vermutete Susanne ein Burnout, eine Depression oder Auswirkungen der Menopause. In der Klinik wollte sich die 55-Jährige erholen – und kam mit der Diagnose «Alzheimer-Demenz» zurück. Seither ist nichts mehr, wie es war.
Susannes Reaktion auf die niederschmetternde Diagnose: nicht aufgeben! Das Beste draus machen und mit ihrem Partner Roman ein gutes Leben führen, solange es geht. Reisen stehen noch auf der Bucket List, zum Beispiel nach Mauritius oder zu den Nordlichtern. Delfinschwimmen in den USA haben sie im Sommer bereits abgehakt.
Auch sonst ist Susanne aussergewöhnlich aktiv: Fitness, Boxen, Dancing, Yoga. Sie lernt Golf und geht in die Logopädie. Lauter Aktivitäten, die Körper und Hirn trainieren und so den Verlauf ihrer Demenz verlangsamen sollen.
Unter Demenz versteht man alle Krankheiten, die zum Abbau geistiger Fähigkeiten führen. Alzheimer ist die bekannteste und am weitesten verbreitete Form. Protein-Ablagerungen führen dazu, dass die Kommunikation unter den Gehirnzellen gestört wird.
Abbau geistiger Fähigkeiten
Bei Susanne wurde diese Alzheimer-Demenz diagnostiziert. Sie befindet sich in einem frühen Stadium der Krankheit und spürt den Abbau vor allem in nachlassenden sprachlichen Fähigkeiten.
Bei Menschen, die vor dem 65. Lebensjahr an Demenz erkranken – 2024 traf dies in der Schweiz auf 7800 der 157’000 Diagnosen zu – tritt oft die Variante «Frontotemporale Demenz» auf. Diese führt häufig zu Veränderungen der Persönlichkeit und ebenfalls zur Verschlechterung der sprachlichen Fähigkeiten.
Alarmierend wird Vergesslichkeit, wenn sie sich auch in entspannten Phasen häuft und man sie nicht mehr kompensieren kann.
Vergesslichkeit und Wortfindungsstörungen kennen wir alle. Auch, dass sie mit dem Älterwerden zunehmen. Der Neurologe Ansgar Felbecker von der Memory Clinic St. Gallen Centrum bestätigt diese Wahrnehmung: «Wenn wir mal in einer super stressigen Phase waren, im Beruf oder auch familiär, und dann noch schlecht geschlafen haben, dann wird jeder von uns vergesslicher sein. Wir alle werden manchmal Sprach- oder Wortfindungsstörungen haben.»
Alarmierend wird es laut Felbecker dann, wenn sich das auch in entspannten Phasen häuft. Wenn man ohne Stress Termine oder Rechnungen vergisst. Und wenn man das nicht mehr kompensieren kann.
Unterstützung vom Partner
Susanne ist kognitiv noch in einem guten Zustand. Sie bewegt sich selbständig mit dem ÖV durch die ganze Schweiz, hält auch Termine ein. Beim Schreiben von Mails stösst sie aber immer häufiger an ihre Grenzen. Ihr Trick: wenn sie sich das Geschriebene laut vorliest, hört sie ihre Fehler und kann sie selbst korrigieren.
Das Administrative hat die 55-Jährige ihrem Partner Roman übergeben. Dieser ist ihr eine grosse Hilfe: Sie wohnen mittlerweile zusammen in seiner Wohnung. Er unterstützt sie im Alltag, wo immer nötig. Dies, obwohl sie sich noch keine zwei Jahre kennen.
Hoffnungsträger Lecanemab
Neben all ihren sportlichen und geistigen Aktivitäten setzt Susanne auch auf eine neue Hoffnung: das Demenz-Medikament Lecanemab. Dieses kommt nur für einen kleinen Kreis der Betroffenen infrage, weil es falsch angewendet zu schweren Nebenwirkungen wie Hirnschwellungen und Hirnblutungen führen kann.
Die Abklärungen haben ergeben, dass Susanne die genetischen Voraussetzungen erfüllt, um das neue Medikament einzunehmen. Auch dank ihres Alters und des frühen Stadiums der Krankheit ist sie prädestiniert dafür. Jetzt gilt es abzuwarten, bis das Medikament in der Schweiz zugelassen wird.
Susanne hofft auf eine baldige Zulassung, denn obwohl sie im Alltag noch recht gut funktioniert, merkt sie doch, dass der Abbau voranschreitet.
Für Susanne ist Aufgeben keine Option. Obwohl sie das Fortschreiten der Krankheit nicht verdrängen kann, steckt sie ihre ganze Energie in den Kampf gegen die Demenz. Sie lebt in der Gegenwart, konzentriert sich auf das, was noch geht. «Aufgeben? Nein!»