Die mentale Gesundheit vieler Schweizerinnen und Schweizer ist angeschlagen – das haben Befragungen in vergangener Zeit gezeigt. Fast die Hälfte der Bevölkerung ist gemäss
einer Umfrage
der Stiftung Pro Mente Sana psychisch belastet – besonders stark trifft es die Jugendlichen.
Rund ein Drittel der 14- bis 19-Jährigen in der Schweiz ist von psychischen Problemen betroffen, wie auch eine
Unicef-Studie
zeigt.
Wissen als Prävention
Klar ist, dass es bestenfalls nicht so weit kommt. Expertinnen wie die Berner Neurowissenschaftlerin Barbara Studer raten deshalb, das Wissen um mentale Gesundheit und Gehirn – der Ort, der die Psyche steuert – bereits in den Schulalltag zu integrieren: «Um die mentale Gesundheit von Jugendlichen
und
Erwachsenen zu stärken, braucht es Investitionen in die Sensibilisierung und Prävention», so Studer.
Tatsächlich bestätigen
Studien
, dass frühe Stressintervention den Auswirkungen der Dauerbelastung auf unsere Hirne – Depressionen oder Demenz etwa – entgegenwirken könnten. Heisst: Wenn wir bereits im jungen Alter lernen, unsere Hirne zu verstehen, können wir ihnen besser helfen.
«Eine Möglichkeit dafür sind Gehirnaktivierungs- und Gehirnberuhigungsübungen», so die Expertin. «Und ich rede nicht von Sudoku».
Summen gegen Angst
Bei Angst spielt vor allem die Amygdala eine wichtige Rolle. Dieser «Mandelkern» wird als Teil des limbischen Systems – dem Emotionszentrum – sofort aktiviert, wenn akute Gefahr droht. So werden wichtige Energiereserven aktiviert. Hält Stress zu lange an, schwächt dieser Mechanismus uns.
Amygdala in anhaltender Action
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Zur Überstimulation der Amygdala (der Mandelkern) kommt, dass unser Gehirn Funktionen des Körpers hemmt, die bei akuter Gefahr nicht nötig sind. Die Folgen können Herz-Kreislauf-Probleme, Schlafstörungen, Appetitverlust und Verdauungsprobleme sein.
Die überstimulierte Amygdala schränkt auch Funktionen anderer Bereiche im Gehirn ein. Im Hippocampus, der etwa für Lernen und Erinnern zuständig ist, werden weniger Gehirnzellen produziert – so fällt uns Lernen und Erinnern schwer.
Unsere Amygdala ist auch mit dem präfrontalen Cortex verbunden, der wichtig ist für die Kontrolle von Emotionen und Verhalten.
Dauerstress führt dazu, dass hier Nervenverbindungen verloren gehen, wodurch unser Urteilsvermögen beeinträchtigt wird. Situationen werden emotionaler bewertet als üblich. Wenn der präfrontale Kortex schrumpft, tun wir uns schwer, in Stresssituationen adäquate Entscheidungen zu treffen.
«Eine Übung, die die Amygdala beruhigt, ist summendes Gehen», so Studer. Zuerst die Atmung verlangsamen. Das sei ideal, um die Aktivität des Angstzentrums zu dämmen. «Noch besser ist es, wenn wir ruhiges Atmen mit der Stimme kombinieren».
Unser Vagusnerv, der auch «Ruhenerv» genannt wird, soll sich durch Schwingungen der Stimmbänder aktivieren. Das wirke besänftigend auf das limbische System.
Der Vagusnerv
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Von vielen wird der Vagusnerv als regulierende Schaltstelle zwischen dem Gehirn und den Organen angesehen. Als zehnter Gehirnnerv verläuft er vom Hirnstamm im Kopf über Hals und Brust bis zum Bauchraum.
Expertinnen gehen davon aus, dass der Nerv, der mit den Stimmbändern und Muskeln im Rachen und mit dem Innenohr verbunden sei, aktiviert wird, indem wir Geräusche von uns geben. Ist man zu aufgebracht zum Summen, empfehlen Forschende das Knurren. Sanftes Tierknurren während des Ausatmens könne der inneren Unruhe entgegenwirken.
«Im besten Fall macht man das während eines Spaziergangs», so Studer. Dass Bewegung bei Unruhe, Depressionen oder Angstzuständen helfen könnte, darauf deuten Untersuchungen.
Gehen bei Gefühls-Wirrwarr
Schaut man sich MRT-Aufnahmen von Menschen mit Depressionen an, zeigen die sich etwa durch Überaktivitäten im präfrontalen Kortex. «Wenn wir unsere kognitive Leistung nicht beanspruchen, sollte da wenig Aktivität sein. Bei depressiven Menschen ist aber mehr», so der Basler Neurologe Sebastian Ludyga in einem Interview mit dem Magazin «mdr». Eine Folge: Grübeln und Gedankenkreisen.
Neuroplastizität
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Die Strukturen und Netzwerke im Gehirn reagieren auf Veränderungen ein Leben lang, indem sie sich neu formieren und anders organisieren.
Ein anderes Anzeichen von Depressionen im Gehirn ist die geringere Neuroplastizität, die sich bei Betroffenen zeigt. Genau hier könnte Bewegung ansetzen (siehe Box).
Studien: Bewegung in Basel und Bochum
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Bewegung könne im Gehirn an beiden oben genannten Stellen ansetzen und Symptome lindern, so Expertinnen: Bewegung beansprucht nämlich andere Teile des Gehirns und verlagert die neuronale Aktivität vom präfrontalen Kortex in den primären Motorcortex – dem Bewegungszentrum. Durch die veränderte Hirnaktivität soll Sport so helfen, Gedankenspiralen aus dem Gehirn zu manövrieren.
An der Uni Basel das gerade mit Betroffenen erforscht. «Es gibt Studien, die belegen, dass für Patienten mit depressiven Symptomen körperliche Aktivität gleich sein kann wie eine Behandlung mit Antidepressiva», erklärt Studienleiter Markus Gerber in einem Interview. Sport könne psychotherapeutische und medikamentöse Behandlungen ergänzen – ersetzen sollte Sport die Therapie allerdings nicht.
An der Ruhr-Uni Bochum wiederum konnten
Forschende zeigen
, dass Sport die Neuroplastizität bei depressiven Menschen erhöhen und klinische Symptome von Depressionen mindern kann: «Es ist bekannt, dass körperliche Aktivität dem Gehirn guttut, da sie zum Beispiel die Neubildung von Verbindungen bei Nervenzellen fördert. Dies könnte durchaus auch hier eine Rolle spielen», so der Forschungsleiter im Abstract.
Food für Freude
Energydrinks und Chips: Dass diese Snacks dem Strandbody nicht helfen, dürfte klar sein. Doch dass der Verzehr einen Einfluss auf das Empfinden von Freude und Glück hat? «Dafür hat die Wissenschaft Hinweise», so Studer. Es sei aber schwierig, die Vorteile bestimmter Ernährungsgewohnheiten eindeutig nachzuweisen.
«Klar ist: Wenn man mehrere Energydrinks trinkt, sorgt das für Ups and Downs im Blutzuckerspiegel.» Zuerst kicken Koffein und Zucker das Belohnungssystem – dann fällt der Blutzuckerspiegel schnell und das Loch folgt. Das Gehirn will Nachschub. Das ist im Übrigen auch beim Gamen oder bei Likes in den Sozialen Medien so.
Ernährung und psychische Gesundheit
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«Wir haben festgestellt, dass es immer mehr Belege für einen Zusammenhang zwischen einer schlechten Ernährung und der Verschlimmerung von psychischen Störungen wie Angst und Depression gibt,» schreibt Erstautorin Suzanne Dickson von der Göteborg Universität in der Einleitung einer Übersichtsstudie: So könne ein Vitamin-B12-Mangel zu Müdigkeit, Gedächtnisstörungen und Niedergeschlagenheit führen.
Eine mediterrane Ernährung, die reich an Obst, Gemüse und Olivenöl ist, biete nach jetzigem Stand der Wissenschaft einen gewissen Schutz vor Angst und Depression. Im Gegensatz dazu ist die Datenlage zu einzelnen Lebensmitteln und Nahrungsergänzungen im Allgemeinen nicht verlässlich genug, so Expertinnen und Experten.
Die Übungen kann man übrigens in jedem Alter machen. Ein Hoch auf die Neuroplastizität. Und, summen Sie schon?
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In der Serie Changemakers besucht Bigna Silberschmidt Menschen, die sozial, ökologisch oder ökonomisch zum Positiven in der Gesellschaft beitragen. Kennen Sie auch Changemakers?
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