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Extreme Klimabedingungen Welche Bäume braucht der Wald der Zukunft?

Ausgerechnet unsere häufigsten Baumarten, Fichte und die Buche, kommen mit Hitze und Trockenheit nicht gut klar. Eine neue Studie und ein neues Buch zeigen auf, wo genau die Probleme liegen und was es braucht, um die Wälder für die Zukunft fit zu machen.

Andere Bäume braucht der Wald. Baumarten, die mit den extremen Klimabedingungen in Zukunft besser klarkommen. Das klingt simpel. Aber es ist kompliziert.

«Man könnte jetzt natürlich meinen: Okay, es wird wärmer und trockener. Darum pflanzen wir jetzt schon Baumarten, die wärmeliebend sind» sagt der Biologe Arthur Gessler von der Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft, WSL. «Aber diese Bäume sind dann vielleicht nicht so resistent gegen Spätfrost.» Wenn es, wie dieses Jahr, im Frühling erst einmal warm wird und dann im April oder Mai noch einmal gefriert, setzt das manchen Baumarten massiv zu.

Schon zu warm – oder noch zu kalt

Kurz gesagt: Für viele Baumarten wird es allmählich zu heiss. Anderen Baumarten wiederum ist es jetzt noch nicht warm genug. Genau damit beschäftigt sich eine gross angelegte Studie, die soeben in der Zeitschrift «Nature Ecology and Evolution» erschienen ist.

Zur Studie

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Forschende der Universität Wien und der TU München haben sich 70 Baumarten an fast 240’000 Standorten in ganz Europa vorgenommen und eine gewaltige Datenmenge ausgewertet.

Resultat: Je nachdem, wie stark sich der Klimawandel entwickelt, gedeihen im Jahr 2100 bis zu 50 Prozent der Baumarten an ihren jetzigen Standorten nicht mehr. Es wird ihnen zu heiss. Andererseits ist es für etwa 50 Prozent der Baumarten, die in Zukunft an neuen Standorten gut gedeihen würden, im Moment noch zu kalt.

«Die Mischung macht's»

Es gibt zwar auch Bäume, die sowohl mit dem heutigen als auch dem zukünftigen Klima klarkommen. Aber diese sind rar, sagt Arthur Gessler: «Die Auswahl an Baumarten, die man jetzt zur Begründung von Mischwäldern verwenden kann, ist sehr begrenzt.» Hier in der Schweiz sind das zum Beispiel die Elsbeere oder die Traubeneiche. Aber Vielfalt wird wichtiger denn je.

«Die Mischung macht's», sagt Christian Kölling. Der Forstwissenschaftler arbeitet für eine grosse Forstbehörde in Bayern. Er hat soeben ein Buch über die Zukunft des Waldes veröffentlicht. «Der Trick ist, dass man von den alten Bäumen noch ein paar Arten hält. Gleichzeitig bringt man neue Baumarten, die im Jahr 2100 in voller Grösse stehen.» So wird der Wald insgesamt resistenter.

Bäume aus dem Süden

Zu einer möglichst grossen Vielfalt können auch «neue» Arten beitragen. Das geschieht teilweise von selbst. Bäume, die es bisher nur im Süden gab, «wandern» Richtung Norden. Baumsamen werden zum Beispiel von Tieren verteilt –  wenn die Bedingungen stimmen, spriessen daraus Bäume, wo es sie zuvor noch nicht gab. Doch diese natürliche «Baumwanderung» dauert. Darum will der Förster Christian Kölling nachhelfen. Er verwendet den Begriff der «unterstützten Wanderung».          

Das ist allerdings nicht unumstritten. Manche Pflanzen werden zum Problem. Sogenannte «invasive Neophyten» wuchern wie wild, verdrängen andere Arten und liefern kaum Futter für hiesige Insekten oder Vögel

Angst vor der «Invasion» fremder Bäume

«Manche Leute haben Angst vor der Invasion. Aber es gibt ein gutes Argument, das lautet: Wir bekommen ein fremdes Klima, also brauchen wir auch fremde Pflanzen», sagt Christian Kölling. Längst nicht alle fremden Pflanzen sind invasiv. Man müsse aber genau hinsehen. «Was nicht ausprobiert wurde, sollte man nicht nehmen. Das tut man in der Medizin ja auch nicht. Ein Medikament, das nicht getestet wurde, erhält keine Zulassung.»

Nahaufnahme eines Kiefernzapfens und Nadeln.
Legende: Die Schwarzkiefer kann sich gut in hiesige Waldökosysteme einfügen. Wikimedia / Fritz Geller-Grimm

Zum Beispiel weiss man mittlerweile, dass sich die Schwarzkiefer gut in hiesige Waldökosysteme einfügen kann. Der Nadelbaum aus dem Süden wächst relativ schnell, aber überwuchert nicht gleich alles andere. Und vor allem kommt er sowohl mit dem jetzigen als auch mit dem zukünftigen Klima klar. Aber eben: Die Mischung macht’s.

Wissenschaftsmagazin, 10.05.2024, 12:40 Uhr

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