Noch vor 30 Jahren wussten die wenigsten, was Wildbienen sind. Heute hingegen gehören die alleine lebenden Wildbienen zusammen mit den Schmetterlingen bei uns zu den beliebtesten Insekten. Das hat auch mit den Wildbienenhäuschen zu tun, die vielerorts auf Balkonen oder in Gärten zu sehen sind. Man kann die Bienen im Frühsommer dort gut beobachten, wie sie mit Pollen und Nektar für den Nachwuchs heranfliegen.
130’000 Wildbienenhotels verkauft
Diese sogenannten Wildbienenhotels sind längst ein Geschäft. Mehr als 130’000 Wildbienenhotels hat alleine die Firma «Wildbiene und Partner» verkauft, wie Geschäftsführer Tom Strobl auf Anfrage sagt.
Die Häuschen mit den normierten, immer gleich grossen Bambusstängeln sind ab 100 Franken zu haben – je nach Ausführung kosten sie ein Mehrfaches. «Mit unseren Häuschen findet die emotionale Bindung mit diesen Tieren extrem schnell statt», sagt Strobl, «das ist sozusagen der Einstieg in die Welt der Wildbienen».
«Kein Beitrag für den Naturschutz»
Für die Sensibilisierung der Menschen sei das eine gute Sache, sagt auch der Biologe und Wildbienenspezialist Andreas Müller, «aber für den Naturschutz sind diese Häuschen kein Beitrag.»
Müller hat zusammen mit anderen Spezialistinnen und Spezialisten während vieler Jahre in der ganzen Schweiz die Vorkommen aktualisiert in einer neuen roten Liste der Wildbienen: Von den rund 600 Wildbienenarten der Schweiz sind zehn Prozent bereits ausgestorben. Weitere 35 Prozent werden als verletzlich oder stark gefährdet eingestuft. «Aber in den Häuschen mit den normierten Bambusstäbchen leben nur zwei von 600 Arten», sagt Müller, «zwei überaus häufige Mauerbienenarten».
Mehr als die Hälfte nistet im Boden
Mehr als die Hälfte aller Wildbienenarten graben die Brutzellen für ihren Nachwuchs im Boden. Andere Arten wiederum nutzen zum Beispiel leere Schneckenhäuschen oder andere Hohlräume als Nest.
So nisten die Wildbienen
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Bild 1 von 7. Bis zu 30 Zentimeter in den Boden. Diese Furchenbiene trägt Pollen in ihre Brutröhre als Nahrung für den Nachwuchs. Dann legt sie ein Ei drauf. Bildquelle: Albert Krebs, ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv.
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Bild 2 von 7. Begehrte Brutplätze zwischen Steinplatten. Weil immer mehr Plätze asphaltiert oder betoniert wurden, finden viele Arten kaum mehr Nistplätze. Bildquelle: Albert Krebs, ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv.
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Bild 3 von 7. Nistet im Schneckenhaus. Einige wenige Wildbienenarten legen ihre Brutzellen in Schneckenhäusern an und verstecken diese dann. Bildquelle: Albert Krebs, ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv.
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Bild 4 von 7. Ein geöffnetes Nest. Die Larve der Mauerbiene (Osmia bicolor) frisst Pollen. Das Schneckenhaus wurde mit Steinchen abgedichtet. Bildquelle: Albert Krebs, ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv.
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Bild 5 von 7. Spezialisiert auf gewisse Blüten. Jede Bienenart besucht andere Blüten. Die Sandbiene (Andrena florea) sammelt Pollen nur auf der Zaunrübe. Bildquelle: Albert Krebs, ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv.
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Bild 6 von 7. Genügend Essen. Halbtrockenrasen sind wegen der vielen Blüten herausragende Nahrungsquellen für die Wildbienen. Bildquelle: Albert Krebs, ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv.
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Bild 7 von 7. Tummelplatz für Wildbienen. Sand-, Lehm- und Kiesgruben gehören – mässig genutzt – zu den artenreichsten Wildbienenlebensräumen. Bildquelle: Albert Krebs, ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv.
Wer in seinem Garten also unbewachsene besonnte Stellen schafft, oder die Fugen zwischen den Gartenplatten nicht mit Mörtel verschliesst, sodass die erdbewohnenden Arten dazwischen runtergraben können, leistet den Bienen mindestens so gute Dienste.
Und wer zum Beobachten trotzdem ein artenreicheres Bienenhäuschen zu Hause haben möchte, kann es auch günstig selber bauen – zum Beispiel nach den Anleitungen für Nisthilfen des deutschen Wildbienenspezialisten Paul Westrich.
Entscheidend sind die Blüten in den Gärten
Eher noch wichtiger aber als die Nistplätze ist für die Wildbienen die Nahrung. Sie brauchen Pollen von ausreichend vielen einheimischen Blütenpflanzen: Büsche, Bäume und Wildblumen verschiedenster Art.
Es gibt Wildbienenarten, die sich auf genau eine Blütenpflanze spezialisiert haben, wie etwa die Sandbiene (Andrena florea) auf die Zaunrübe. Ohne diese Kletterpflanze kommt also auch die Biene nicht vor.
Wer Wildbienen im Garten oder auf dem Balkon fördern will, muss ihnen also ein reichhaltiges Buffet an verschiedensten Blütenpflanzen zur Verfügung stellen. Wildbienenspezialist Felix Amiet aus Solothurn hat das getan. In seinem Garten leben mehr als hundert verschiedene Arten.
Im Internet finden sich zahlreiche Tipps zum Thema – auch viele fachlich falsche. Als Einstieg wertvoll sind auch hier die Tipps für einheimische Blütenpflanzen des deutschen Wildbienenkenners Paul Westrich. So lassen sich selbst in Städten seltene Wildbienenarten wieder ansiedeln.