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Schutz der Wildbienen Wildbienenhotels: Warum sie kaum zum Naturschutz beitragen

Für den Naturschutz sind Wildbienenhäuschen weitgehend irrelevant, sagen Experten. Wir zeigen, was Bienen dennoch hilft.

Noch vor 30 Jahren wussten die wenigsten, was Wildbienen sind. Heute hingegen gehören die alleine lebenden Wildbienen zusammen mit den Schmetterlingen bei uns zu den beliebtesten Insekten. Das hat auch mit den Wildbienenhäuschen zu tun, die vielerorts auf Balkonen oder in Gärten zu sehen sind. Man kann die Bienen im Frühsommer dort gut beobachten, wie sie mit Pollen und Nektar für den Nachwuchs heranfliegen.

130’000 Wildbienenhotels verkauft

Diese sogenannten Wildbienenhotels sind längst ein Geschäft. Mehr als 130’000 Wildbienenhotels hat alleine die Firma «Wildbiene und Partner» verkauft, wie Geschäftsführer Tom Strobl auf Anfrage sagt.

Insektenhotel an einer sonnigen Wand mit fliegenden Bienen.
Legende: In solchen Wildbienenhotels nisten nur ganz wenige Arten – andere Massnahmen helfen mehr. Symbolbild: IMAGO Westend61

Die Häuschen mit den normierten, immer gleich grossen Bambusstängeln sind ab 100 Franken zu haben – je nach Ausführung kosten sie ein Mehrfaches. «Mit unseren Häuschen findet die emotionale Bindung mit diesen Tieren extrem schnell statt», sagt Strobl, «das ist sozusagen der Einstieg in die Welt der Wildbienen».

«Kein Beitrag für den Naturschutz»

Für die Sensibilisierung der Menschen sei das eine gute Sache, sagt auch der Biologe und Wildbienenspezialist Andreas Müller, «aber für den Naturschutz sind diese Häuschen kein Beitrag.»

Ein Mann in einem blauen Hemd, mit Brille, kauert mit einem Insektennetz in einer Trockenwiese.
Legende: Wildbienenspezialist Andreas Müller Hier, auf einer Trockenwiese, fängt der Insektenkundler viele verschiedene Wildbienen. Doch 95 Prozent dieser Wiesen gingen seit 1900 verloren, und damit der wichtigste Lebensraum für viele Wildbienen. Christian von Burg

Müller hat zusammen mit anderen Spezialistinnen und Spezialisten während vieler Jahre in der ganzen Schweiz die Vorkommen aktualisiert in einer neuen roten Liste der Wildbienen: Von den rund 600 Wildbienenarten der Schweiz sind zehn Prozent bereits ausgestorben. Weitere 35 Prozent werden als verletzlich oder stark gefährdet eingestuft. «Aber in den Häuschen mit den normierten Bambusstäbchen leben nur zwei von 600 Arten», sagt Müller, «zwei überaus häufige Mauerbienenarten».

Mehr als die Hälfte nistet im Boden

Mehr als die Hälfte aller Wildbienenarten graben die Brutzellen für ihren Nachwuchs im Boden. Andere Arten wiederum nutzen zum Beispiel leere Schneckenhäuschen oder andere Hohlräume als Nest.

So nisten die Wildbienen

Wer in seinem Garten also unbewachsene besonnte Stellen schafft, oder die Fugen zwischen den Gartenplatten nicht mit Mörtel verschliesst, sodass die erdbewohnenden Arten dazwischen runtergraben können, leistet den Bienen mindestens so gute Dienste.

Und wer zum Beobachten trotzdem ein artenreicheres Bienenhäuschen zu Hause haben möchte, kann es auch günstig selber bauen – zum Beispiel nach den Anleitungen für Nisthilfen des deutschen Wildbienenspezialisten Paul Westrich.

Entscheidend sind die Blüten in den Gärten

Eher noch wichtiger aber als die Nistplätze ist für die Wildbienen die Nahrung. Sie brauchen Pollen von ausreichend vielen einheimischen Blütenpflanzen: Büsche, Bäume und Wildblumen verschiedenster Art.

Es gibt Wildbienenarten, die sich auf genau eine Blütenpflanze spezialisiert haben, wie etwa die Sandbiene (Andrena florea) auf die Zaunrübe. Ohne diese Kletterpflanze kommt also auch die Biene nicht vor.

Älterer Mann im Garten mit Blumen und grünem Laub.
Legende: Wildbienenspezialist Felix Amiet Mit dem Anlegen eines blütenreichen Gartens hat Felix Amiet mehr als 100 verschiedene Wildbienenarten angelockt. Christian von Burg

Wer Wildbienen im Garten oder auf dem Balkon fördern will, muss ihnen also ein reichhaltiges Buffet an verschiedensten Blütenpflanzen zur Verfügung stellen. Wildbienenspezialist Felix Amiet aus Solothurn hat das getan. In seinem Garten leben mehr als hundert verschiedene Arten.

Im Internet finden sich zahlreiche Tipps zum Thema – auch viele fachlich falsche. Als Einstieg wertvoll sind auch hier die Tipps für einheimische Blütenpflanzen des deutschen Wildbienenkenners Paul Westrich. So lassen sich selbst in Städten seltene Wildbienenarten wieder ansiedeln.

Wissenschaftsmagazin, 12.7.2025, 12:40 Uhr

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